Mit dem geographischen Schwerpunkt auf den Regionen Ghana/Golf von Guinea, Ostafrika, dem indischen Subkontinent und Indonesien präsentierte das 2-Tage Seminar der FAO in Zusammenarbeit mit vier Forschungsprojekten interessante Rechercheergebnisse über Produktion, Verarbeitung, Marketing, Verbrauch und Managementaspekte der Wertschöpfungskette kleiner preisgünstiger Fische. Das Hauptanliegen war, die Versorgung der Bevölkerung mit geringer Kaufkraft mit gesundem Speisefischen, die reich an Mikronährstoffen sind, sicherzustellen.
Die einführenden Worte durch Nancy Aburto des Bereichs Food and Nutrition Division der FAO und Shakuntala Haraksingh Thilsted von WorldFish hoben die Bedeutung von Fisch für eine gesunde Ernährung hervor. Besonders für unterversorgte Menschen, deren Anzahl als Konsequenz der Covid 19 Pandemie um geschätzt 132 Millionen gestiegen ist. Lebensmittel für die Schwächsten und die Bevölkerung mit kleinem Geldbeutel muß sicher und bezahlbar sein. Die in hohem Maße bioverfügbaren Mikronährstoffe im Fisch wie z.B. Vitamin A, um Blindheit vorzubeugen, oder B12, um eine gesunde Entwicklung des Gehirns bei Kindern sicherzustellen, sind nur einige der Gründe für das besondere Augenmerk auf Fischereiprodukte im Rahmen der verfügbaren Lebensmittel für eine finanziell schlechter gestellte Bevölkerung.
Einige der kleineren Fischarten können im Ganzen verzehrt werden, um Abfall zu vermeiden (s. Graphik, mit freundlicher Genehmigung WorldFish). Getrockneter Fisch in Kombination mit Gemüse und einem Grundnahrungsmittel der jeweiligen lokalen Ernährung wie Hirse oder Reis bieten eine gut ausbalancierte Ernährung, die die lokalen geschmacklichen Präferenzen berücksichtigt.
Mancherorts werden Sicherheitsbedenken bezüglich der Verwendung von Pestiziden in getrocknetem Fisch geäußert. Diese werden eingesetzt, um ein Verderben während der Trocknung zu verhindern. Andere Sicherheitsaspekte beziehen sich auf Mikroben oder Parasiten oder die Anreicherung von Aflatoxinen. Wie man solche Bedenken ausräumen und gleichzeitig Verluste nach dem Fang auch in Regionen reduzieren kann, in denen Strom und entsprechende Kühlung entweder nicht verfügbar oder unzureichend sind, bleibt eine Herausforderung, mit der sich Lebensmitteltechnologen und Praktiker seit Jahrzehnten auseinandersetzen.
Die einleitende Debatte brachte auch eine akute Herausforderung ans Licht: Wenn industrielle Interessen mit der handwerklichen Fischerei um kleine, kostengünstige Fische konkurrieren, um sie für Fischmehl und -öl statt für die menschliche Ernährung zu verwenden, treibt das die Rohstoffpreise in die Höhe und kann für Menschen mit kleinem Geldbeutel existenzbedrohend sein. So wurde rasch klar, dass es sich um ein Problem mit vielen technischen, ökonomischen, ökologischen, sozialen, Gerechtigkeits- und Aspekten staatlicher Lenkung handelt, das von der Diagnose bis zur Suche nach adäquaten Antworten ein vielschichtiges Vorgehen erfordert.
Das Seminar gliederte sich in die folgenden Abschnitte jeder mit etwa einstündigem Vortrag von verschiedenen Standorten und aus unterschiedlichen Perspektiven. Es folgte jeweils eine für einen regen Austausch ausreichend lange Fragerunde. Die Einladung mit dem Programm finden Sie hier. Alle Beiträge wurden aufgezeichnet und werden so bald wie möglich auf YouTube hochgeladen. Im Folgenden finden sich nur ein paar Schnappschüsse, um einen Eindruck von den vielseitigen Präsentationen und dem Austausch zu vermitteln.
Session 1 Ökologie und Ernten
Referenten waren: Santiago de la Puente, Institut für Ozeane und Fischerei (Oceans and Fisheries) UBC, Vancouver, Canada; Francis K.E. Nunoo, Universität von Ghana; Jeppe Kolding, Universität von Bergen, Norwegen; und Martin Pastoors, Pelagic Freezer-trawler Association, Niederlande.
Santiago de la Puente eröffnete den Vortrag mit einem Blick auf die weltweit größte Fischerei, die peruanische Anchoveta (Engraulis ringens), bei der die sieben größten Unternehmen etwa 60 % des Fangs auf sich vereinen und damit jeweils vielleicht bis zu einer Milliarde US-Dollar verdienen. Der Rest wird von kleineren Schiffen gefangen, die fast 250.000 Menschen beschäftigen. Der überwiegende Teil der Fänge wird zu Fischmehl und Öl als Futtermittel z.B. für Aquakulturen in China und Europa verarbeitet und ein Großteil der Wertschöpfung fällt außerhalb Perus an. Im heutigen Peru wird nur ein kleiner Prozentsatz des Fisches für den direkten menschlichen Verzehr verwendet, obwohl die wirtschaftlichen Multiplikatoren für Fisch als Lebensmittel viel interessanter sind als die für Mehl. Aber die entsprechende Werbekampagne wurde 2012 gestoppt. Die Bemühungen gerieten ins Stocken, den Verzehr von Fisch zu erhöhen und verschiedene Wege zu etablieren, um ihn landesweit und darüber hinaus in der Ernährung der Bevölkerung verfügbar zu machen und damit Arbeitsplätze und höhere Einnahmen als in der Futtermittelindustrie zu generieren.
Francis K.E. Nunoo gab einen kurzen Überblick über die Situation der vorhandenen Ressourcen der kleinen pelagischen Fische auf Basis der Fridtjof-Nansen-Untersuchung im Golf von Guinea im Jahr 2016. Dabei handelt es sich um Sardinella maderensis, S. aurita, Sardelle (Engraulis encrasicolus), Atlantische Döbelmakrele (Scomber colias), Atlantische Pferdemakrele (Chloroscombrus chrysurus), runde Pferdemakrele oder Zigarrenfisch (Decapterus punctatus) und Mondfisch (Selene dorsalis). He noted that while the legal mesh size of fishing nets was 25 mm, the use of nets with 10 mm mesh size was common and that despite the smaller mesh sizes beach seines had very poor catches nowadays. Use of light and electric fishing was leading to the catch of many juveniles. According to the latest CECAF stock assessment steep decreases in catch per unit of effort pointed to severe overexploitation and the need to better management and resource recovery.
Jeppe Kolding konzentrierte sich auf die Fischproduktion in afrikanischen Binnengewässern, deren Zuwächse er laut FAO-Daten auf 3,5 % pro Jahr bezifferte, die aber bisher unterschätzt werden. Er zeigte die Energietransferpyramide, die veranschaulicht, dass nur etwa 10 % der Energie von einer trophischen Ebene zur nächsten weitergegeben wird, während der größte Teil der Energie auf jeder Ebene für die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen benötigt wird. Mit anderen Worten: Zooplankton, das sich von winzigen Wasserpflanzen ernährt, stellt etwa 10 % der Pflanzenbiomasse dar, und Fischbabys von großen Fischen und Fische, die während ihres gesamten Lebens klein bleiben, stellen etwa 10 % der Biomasse des Zooplanktons dar und so weiter. Da größere Fische kleinere fressen, plädierte er dafür, die größere Fauna, die sich von kleinen Fischen ernähren könnte, zu reduzieren und lieber kleine Fische zu fangen, einschließlich der Jungtiere großer Fische, um mehr Nahrung für arme Menschen zu produzieren. Dies unterstellt allerdings, dass arme Menschen nur kleine Fische essen sollten.
Martin Pastoors berichtete, dass seine Firma kleine pelagische Fische im Nordostatlantik, im Südpazifik und vor Westafrika auf die billigste und effizienteste Art und Weise fängt und das gefrorene Produkt in Afrika und Asien verkauft.
Die Diskussion drehte sich zumeist um die Entwicklung der Fischerei und wie es zu der Situation gekommen war, dass der größte Teil des Sardellenfangs in Peru - obwohl in Lebensmittelqualität - zu Fischmehl verarbeitet werden darf, während ein großer Teil des heimischen Verbrauchs der Bevölkerung mit Fisch aus Aquakultur und Importen gedeckt wird. Teilnehmer gingen auch auf Fragen des Umweltmanagements, der sozialen Gerechtigkeit und der Verteilungspolitik ein.
Session 2 Verarbeitung
Moderiert von Derek Johnson, Universität von Manitoba und Teamleiter des Dried Fish Matters Projekts, waren die Referenten: Ragnhild Overa, Universität Bergen; Benjamin B. Campion, Kwame Nkrumah University of Science and Technology; Marian Kjellevold, Universität Bergen/Institut für Meeresforschung; und Lyndon Paul, Danish Care Foods. Co. Ltd. Kambodscha.
Ragnhild Overa begann die Präsentationen mit einem Bericht über die gemachten Felderfahrungen in Ghana mit der Verarbeitung von kleinen pelagischen Fischen, sowohl lokal gefangenen als auch importierten, sowie von Tilapia, sowohl gezüchtet als auch wild gefangenen. Die sich schnell verschlechternde Produktqualität war eine permanente Herausforderung für Verarbeiter und Händler. Um die Haltbarkeit zu verlängern, wurden auch Chemikalien eingesetzt.
Sie berichtete über die starken informellen Institutionen, die reibungslose Transaktionen unterstützen. In jeder Gemeinschaft gab es eine Ohemma (Königinmutter), die die Kreditvergabe überwachte. Nur wenn ihre Autorität unzureichend war, bestrafte ein Ältestenrat potentielle Regelverstöße.
Sie empfahl nachdrücklich, die Händlerverbände in die Entscheidungsprozesse mit der Regierung und den Investoren einzubeziehen. Bei den Aktivitäten im Rahmen der Weiterverarbeitung gäbe es noch viel Spielraum, die Arbeits- und Vermarktungsbedingungen für Frauen zu verbessern und sie direkter in den Prozess einzubinden.
Benjamin Campion listete eine Reihe von gut gemeinten Versuchen auf, an verschiedenen Orten leistungsfähigere Räucheröfen für die fischverarbeitenden Frauen einzuführen. Kaum eine Modifikation der lokal entwickelten Modelle sei angenommen worden.
Eine Befragung der in Verarbeitung und Handel aktiven Frauen an der Küste und im Landesinneren zeigte, dass Kosten und Geschwindigkeit des Räucherns die Hauptentscheidungskriterien waren, während Gesundheitsschutz, geringerer Holzverbrauch und andere vorgeschlagene Innovationen selbst dann nicht zur Akzeptanz führten, wenn Subventionen und begleitende Schulungen angeboten wurden. Fazit: Neue Technologien werden nur funktionieren, wenn die Menschen sie nachfragen.
Mariam Kjellevold berichtete, dass es trotz eines hohen durchschnittlichen Pro-Kopf-Fischkonsums von 25 kg pro Jahr in Ghana Gebiete mit Unterernährung gäbe. Es wurden einige Analysen der Lebensmittelzusammensetzung durchgeführt, die z.B. Nährstoffverluste beim Räuchern und einen Mangel an bestimmten Mikronährstoffen aufzeigte.
Diese Resultate legten nahe, dass z.B. keine der lokal vermarkteten Fischarten ausreichende Mengen an Vitamin A lieferte und viele der traditionell geräucherten Fische hohe Werte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) aufwiesen, wenn sie nicht vor dem Verzehr gehäutet wurden. Die Entnahme von Materialproben ergab einige Hinweise auf sinnvolle weiterführende Maßnahmen, sie ließ aber nicht auf eine generell schlechte Ernährung schließen.
Lyndon Paul sprach ein anderes Marktsegment in Kambodscha an. Er wies darauf hin, dass das Land laut FAO-Daten zwar den höchsten durchschnittlichen Pro-Kopf-Fischkonsum der Welt hat, der Zugang zu diesem gesunden Lebensmittel aber unausgewogen ist. In der Tat waren ca. 46,8 % der Frauen im reproduktiven Alter unterernährt und 32,4 % unterentwickelt. Seine Firma hatte ein Produkt auf der Basis von Fischpulver, Bohnen und anderen Zutaten zur Ergänzung der Ernährung entwickelt, das die Unterernährung zu bekämpfen schien.
Ein Großteil der Diskussion drehte sich um die Schwierigkeit, akzeptable technische Innovationen zu finden.
Session 3 Konsumverhalten
Maarten Bavinck moderierate die Session mit Partnern des Fish4Food Projekts. Die Sprecher waren: Froukje Kruijssen, KIT Royal Tropical Institute, Amsterdam; Ben Belton, Michigan State University und WorldFish; Akosua K. Darkwah, University of Ghana; Amalendu Jyotishi, Azim Premji University, Bangalore; Kyana Dipananda, University of Amsterdam; and Thijs Schut, University of Amsterdam.
Froukje Kruijssen lenkte die Aufmerksamkeit auf Beobachtungen, wie soziale Normen das Verbraucherverhalten beeinflussen und wie sich die Urbanisierung mit den damit verbundenen Veränderungen des Lebensstils auf die Vorlieben für Fertiggerichte auswirkt. Sie betonte, wie wichtig es sei, dass schwangere und stillende Frauen und Säuglinge in den ersten 1000 Tagen ihres Lebens Zugang zu einer vollwertigen Ernährung haben, die die Gesundheit und die volle geistige Entwicklung sichert.
Ben Belton sprach über die handwerkliche Fischerei für kleine, preisgünstige Süßwasser- und Meeresfische in Bangladesch, Myanmar und Indien. Sie werden frisch verzehrt oder in vielfältiger Form verarbeitet. Süßwasserfische wurden durch die Veränderung von Lebensräumen und den Ausbau der Infrastruktur, z.B. durch die Aufstauung des Tonle Sap in Kambodscha, immer knapper. Die daraus resultierenden Preissteigerungen führen zu einer Substitution bevorzugter Arten durch Aquakulturprodukte und weniger bevorzugte kleine Meeresfische. Der starke Abfischungsdruck und die Konkurrenz zwischen handwerklichen und industriellen Meeresfischern sowie die Weiterverarbeitung der Fänge zu Fischmehl machen es immer wahrscheinlicher, dass die Erträge aus dem Meer auch für finanziell schlechter gestellte Menschen unbezahlbar werden.
Akosua Darkwah berichtete über eine Arbeit, die sie zusammen mit John Armah über die Ernährungsgewohnheiten in Jamestown, Ghana, durchgeführt hatte. Das gängige Grundnahrungsmittel war Kenkey, basierend auf zermahlenem Mais oder früher Hirse, das immer in Kombination mit kleinen Fischen gegessen wurde. Als die Zutaten teurer wurden, verringerten sich die Portionen leicht. Sie war der Meinung, dass dies kein Problem sei, da Ernährungswissenschaftler bereits dazu rieten, die Kohlenhydratzufuhr in der Ernährung zu reduzieren. Die Frage war vielmehr, ob es angesichts der Überfischung und des Baus eines riesigen Hafens an der Stelle, an der bisher Kleinfischer tätig waren, in Zukunft noch Fisch geben würde.
Amalendu Jyotishi merkte an, dass der durchschnittliche Pro-Kopf-Fischkonsum in Indien lediglich 5 kg pro Jahr beträgt, was nach Schätzungen der FAO (2018) nur 25 % des weltweiten Durchschnitts entspricht. Da Städte eine große Anzahl an armen Bevölkerungsgruppen aus ländlichen Gebieten anziehen, wurde befürchtet, dass diese nur über Märkte Zugang zu Fisch haben und somit der Konsum eingeschränkt werden könnte. Er untersuchte daraufhin die Unterschiede im Fischkonsum zwischen Chennai, einer Küstenstadt in Südostindien, und dem im Landesinneren gelegenen Bangalore. Es stellte sich heraus, dass in den untersuchten Bezirken mit niedrigem Einkommen der Fischkonsum aufgrund des Geschmacks und der Tatsache, dass die Menschen sich des Nährwerts bewusst waren, ähnlich hoch war. In Chennai wurde Meeresfisch gegenüber Süßwasserfisch stark bevorzugt. Mobile Verkäufer und die nahen Märkte spielten in beiden Städten eine große Rolle bei der Verfügbarkeit.
Kyana Dipananda hatte den Zugang, die Verarbeitungspraktiken und die Einstellung zu Fisch als Nahrungsmittel in Madura, einer ländlichen Gegend in der Provinz Ostjava, Indonesien untersucht. Fisch ist ein fester Bestandteil der Ernährung, meist gekocht. Er wird als billig, gesund und schmackhaft angesehen. Allerdings ist billiger Fisch nur saisonal verfügbar. Größe und Qualität des Fisches sind den Menschen wichtig. Größerer Fisch ist "gesund zum Essen". Die einfache Zubereitung beeinflusst auch die Wahl der Fischart. Arbeiter aus Madura, die in städtische Gebiete abwandern, z. B. als Ladenbetreiber, neigen dazu, auf Fertiggerichte umzusteigen.
Thijs Schut untersuchte den Fischkonsum im ländlichen Sumba, Indonesien, und fand heraus, dass kleiner gebratener Fisch mit Reis und Gemüse dem gezüchteten Fisch fast immer vorgezogen wurde. Getrockneter Fisch war selten. Mobile Händler spielen eine große Rolle bei der Versorgung, manchmal auf Kredit, ohne den die arme Bevölkerung keinen Zugang hätte. Die Entwicklungspolitik aus der Hauptstadt betrachtet dies als rückständig und fördert "moderne" Aquakulturprodukte.
Die Diskussion über die verschiedenen Fallbeispiele machte deutlich, dass eine Einheits-Politik in höchstem Maße verfehlt wäre. Sie dämpfte auch die Ansicht, dass die Politik der Zentralregierung der wichtigste zu analysierende und zu informierende Faktor wäre, da die informellen Marktkanäle oft sehr effizient arbeitete und nicht unterschätzt werden sollten. Es wurde festgestellt, dass Urbanisierungsprozesse zu Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten führen.
Session 4 Vertrieb und Handel
Die Sitzung wurde moderiert von Holly Hapke, Universität von Kalifornien, Irvine. Die Referenten waren: Anderson Kwasi Ahwireng, Universität Amsterdam; Sharon Suri, Universität Amsterdam; V. Vivekanandan, FishMARC; Moenieba Isaacs, Westkap-Universität; und Joeri Scholtens, Universität Amsterdam.
Anderson Kwasi Ahwireng präsentierte die Ergebnisse seiner Doktorarbeit über die Handelsmuster von lokal gefangenem und importiertem Fisch von der Küste ins Hinterland. Vor Ort entlang der Küste gefangene und angelandete Fische sind vor allem Sardinella maderensis, S. aurita, Sardelle (Engraulis encrasicolus), Atlantische Döbelmakrele (Scomber colias). In Ermangelung einer Kühlinfrastruktur erfolgt die Konservierung hauptsächlich durch Räuchern und Trocknen.
Es sind überwiegend Händlerinnen, die die die Produkte in allen verfügbaren Behältern - Säcken, Körben, Kisten - und Fahrzeugen entweder zum Großmarkt in Accra, dem wichtigsten im Land, oder im Falle von Räucherfisch bereits landeinwärts zum Regionalmarkt in Tamale zum Weiterverkauf bringen. Importierter Fisch, der gefroren in Tema und Takoradi angelandet wird, wird entweder entlang der Kühlketten umgeschlagen und erreicht das Kühllager in Tamale oder gelangt in die Prozesse der Räucherfischherstellung und wird Teil der Produktkette der lokalen Fischerei. Die Fischerfrauen sind oft Bootsbesitzerinnen und finanzieren die Fangfahrten vor, so dass die Fischer gezwungen sind, ihre Fänge mit einem Preisnachlass an sie zu verkaufen. Die großen Händler lagern überschüssigen Fisch, um ihn in der schwachen Nebensaison, wenn die Preise steigen, abzugeben. Hier gibt es jedoch Bedenken hinsichtlich der Qualität und der Lebensmittelsicherheit der Produkte, die mit DDT oder Formalin behandelt wurden, um Insektenbefall zu vermeiden.
Sharon Suri hatte sechs Monate lang Fischhändler in Indonesien befragt. Toke-Händler finanzieren oft kleine Händler vor. Along-Along mobile Händler stellen die Verbindung zu Abnehmern in Orten fernab von regionalen Märkten her. Die gesamte Wertschöpfungskette ist kreditgetrieben, selbst Endkunden können in der fangschwachen Saison oft nur gegen Kredit an Fisch kommen. Die mobilen Händler sind der Schlüssel zum Zugang zu Speisefischen für arme Kunden. Sie gehen selbst mit den damit verbundenen Unsicherheiten um, indem sie die Preise senken, um Verderb zu vermeiden, Kredite vergeben und ein ganzes Sortiment an Nahrungsmitteln mitführen, um eventuelle Verluste bei einer Ware auszugleichen.
V. Vivekanandan zeichnete ein detailliertes Bild von den meist weiblichen Fischverkäufern, die in der Regel Ein-Personen-Unternehmen sind. Ihr Ziel, so viel wie möglich individuell pro Tag durch Haustürgeschäfte oder auf Nebenmärkten zu verkaufen. Während diese Frauen früher ihren Fisch von den fischenden Ehemännern oder anderen männlichen Familienmitgliedern gekauft hatten, zwangen die Veränderungen in der Struktur der Industrie sie nun dazu, von weiter entfernten Großmärkten zu kaufen, oft gegen informelle Kredite. Dies ist für viele Familien überlebenswichtig geworden. Grund ist das sinkende Einkommen der Männer wegen der Konkurrenz durch größere Boote und die Tatsache, dass sie wetterbedingt etwa 100 Tage auf See sind, während die Frauen 300 Tage im Jahr arbeiten können, um wenigstens ein gewisses Einkommen zu erzielen.
Er konnte viele Klagen dieser Frauen auflisten, fand aber wenig Beachtung für ihre Situation durch die Politik. Es gab nur vereinzelte Versuche der Unterstützung, die den versprochen Erfolg zeigten, weil die wirklichen Bedürfnisse und Prioritäten der Frauen nicht berücksichtigt worden waren. Abschließend plädierte er für auf geltenden Rechten basierende kollektive Maßnahmen, um die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche dieser gefährdeten Gruppen zu verteidigen. Sein Vorschlag: Die Bildung von Kooperativen, die dazu beitragen könnten, ihnen auch eine Stimme in politischen Prozessen zu geben.
Moenieba Isaacs analysierte die handwerkliche Fischerei im Zusammenhang mit anderen Nahrungsmittelsystemen in Zeiten von Corona mit Schwerpunkt auf den drei afrikanischen Ländern, Südafrika, Simbabwe und Nigeria. Die getroffenen Maßnahmen der Regierung waren unausgewogen. Es gab staatliche Unterstützungen für kleine Landwirtschaftsproduzenten, aber meist nicht für handwerkliche Fischer.
Sie kam zu dem Schluss, dass zwar viele Wirtschaftszweige ihre Geschäfte digitalisierten, dies aber in den verschiedenen Segmenten der von ihr untersuchten Lebensmittelsysteme kaum der Fall war. Sie hielt es für sinnvoll, informelle Kanäle zur Versorgung mittelloser und gefährdeter Bevölkerungsgruppen mit Nahrungsmitteln zu unterstützen und auch neu zu überdenken, wie die Lieferketten für Fisch in Zukunft unter solchen Bedingungen funktionieren könnten.
Sie forderte Regelungen zugunsten von kostengünstigen, nährstoffreichen Lebensmitteln für den lokalen Konsum statt für den Export. Sie schlug auch vor, dass Regierungen Fisch aus der handwerklichen Fischerei für die Versorgung von Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen kaufen könnten.
Joeri Scholtens erinnerte die Zuhörer zu Beginn seines Vortrag an die globalen Trends. Die FAO schätzte, dass im Jahr 2018 etwa 18 Millionen Tonnen Fisch zu Fischmehl und -öl (FMFO) verarbeitet wurden, ein Aufwärtstrend seit 2014. Etwa 69 Prozent der daraus resultierenden mehr als 5 Millionen Tonnen waren für die Aquakultur bestimmt, da diese weiter expandiert.
Der größte Teil des zu FMFO weiterverarbeiteten Fisches hat Lebensmittelqualität.
Indien erlebt eine besonders schnelle Expansion der Garnelen-Aquakultur (eingeführt Lithopenaeus vannamei) für den Export. Diese Expansion erforderte, dass mittlerweile fast ein Drittel der offiziellen Anlandungen zu Fischmehl für diese Industrie verarbeitet wird. Dies betraf sowohl Fänge der handwerklichen Fischerei von kleinen Fischen als auch industrielle Fänge.
Das hatte zur Folge, dass ein deutlich geringerer Anteil der Fänge von Kleinfischen für den lokalen menschlichen Verzehr zur Verfügung stand. Außerdem schlossen die großen Händler langfristige Verträge ab und verdrängten die lokalen Händler, auch wenn diese höhere Preise hätten zahlen können.
Joeri Scholtens berichtete, dass der exportorientierte Fischmehlsektor hoch subventioniert und politisch geschützt sei. Er stellte fest, dass die andauernde, aber kaum wahrnehmbare Revolution von wirkungsvoller Berichterstattung in den Medien begleitet wurde. Fischmehl wurde als eine großartige Möglichkeit beschrieben, ein hochwertiges Produkt zu erhalten und dass es große Mengen Fisch vor der Verschwendung rettete. In Wirklichkeit bedeutete die fortschreitende Umverteilung der Fischereiressourcen weg vom menschlichen Verzehr hin zum Export für reiche Verbraucher nichts weniger als eine Verringerung der Ernährungssicherheit, insbesondere der finanziell benachteiligten Inder.
Session 5 Zusammenfassen der Argumente
Für das Treffen In der abschließenden Sitzung stellte Molly Ahern von der FAO einige zentrale Herausforderungen für eine nachhaltige Fischproduktion und die Reduzierung von nachträglichen Fangverlusten heraus. Sie wies auf die Notwendigkeit hin, Frauen in der Verarbeitung und im Handel mit langfristiger Qualifizierung und Zugang zu Krediten zu unterstützen, da diese einen sehr bedeutenden Teil der Akteure entlang der Wertschöpfungsketten ausmachen, aber oft unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten. Das könnte auch die Aufnahme von Innovationen erleichtern, die eine Verdrängung durch finanzkräftigere Investoren verhindern. Ein größeres Augenmerk sollte auf informelle Märkten und Handel sowie die Verringerung von Ungleichheiten beim Zugang und beim Konsum gelegt werden. Gleichzeitig führten die Verstädterung und die damit verbundenen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten zu einer unbeabsichtigten Verringerung der Aufnahme von nährstoffreichen Fischerzeugnissen.
Hier können nur einige wenige Kommentare der Redner wiedergegeben werden. Maarten Bavinck, einer der Hauptorganisatoren, hob die Bedeutung einer sozialwissenschaftliche Betrachtungsweise hervor und betonte, dass es wichtig sei, die verschiedenen Kontexte immer mit einem menschenrechtlicher Ansatz und dem Fokus auf die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu erforschen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wie ist zu erreichen, dass sich Regierungssysteme so entwickeln, dass sie die Kleinfischerei im Einklang mit den SSF-Richtlinien priorisieren und z.B. die ethisch inakzeptable Wahl zwischen Nahrung für Menschen oder Futter für Aquakulturen verhindern. Das muss Hand in Hand gehen mit der Vermeidung von SSF-Produkten, die preislich jenseits der Möglichkeiten von finanziell schwachen Verbrauchern liegen.
V. Vivekanandan schloss sich diesen Bedenken an und erklärte, dass viele lokale Organisationen, mit denen er in Indien zu tun hatte, ein eher unzureichendes Verständnis der größeren Zusammenhänge im betreffenden Markt hatten. Diese Organisationen zu unterstützen oder sie bei Bedarf besser zu organisieren, war entscheidend für weitere Optimierungen. Partnerschaften mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschern gehörten zu den sinnvollsten Lösungen für diese Defizite. Er plädierte nachdrücklich dafür, gemeinsame Pilotprojekte durchzuführen und zu experimentieren, bevor man versucht, das Ganze zu skalieren. Das wäre eine angemessene Vorgehensweise für eine Reduzierung des Risikos.
Das gesamte Seminar wurde aufgezeichnet und wird in Kürze auf YouTube zu sehen sein
Übersetzung: Claudia Mense.