Die Ocean Philosophers und Mundus maris taten sich am 17. November 2021 in Kiel zu einem Workshop zu nachhaltiger Fischerei zusammen. Sie wollten insbesondere die Schwierigkeiten der handwerklichen Fischerei in Europa beleuchten, um nach Wegen zu suchen, wie diese Form der umweltschonenden Meeresproduktion im Bestreben unterstützt wird, ihr Potential für eine nachhaltige Zukunft auszuschöpfen. Das sollte ein Beitrag zur Fischereiwoche sein, die im Rahmen des Ocean Summit in Schleswig Holstein veranstaltet wird. Das Ganze fand anlässlich des Weltfischereitages statt, der alljährlich am 21. November weltweit begangen wird.
Der Workshop konnte nicht wie ursprünglich geplant durchgeführt werden, da die Teilnehmerzahl vor allem wegen der in letzter Zeit vermehrt auftretenden Infektionen mit der Delta-Variante von Covid-19 gering war. Die Folien (klicken Sie auf den Link, um sie zu sehen) des gemeinsam vorbereiteten Impulsvortrags waren dennoch nützlich, um einige Überlegungen zu den Forschungsergebnissen anzustellen und auf zuverlässige Informationsquellen hinzuweisen. Informative Poster zu Fischarten in der westlichen Ostsee, die während des jüngsten Sommertörns der Ozeanphilosophen entstanden sind, schufen eine freundliche Atmosphäre für das Gespräch.
Um die Anwesenheit der Teilnehmer zu honorieren, wurde die Gelegenheit zu einem Brainstorming über die Herausforderungen für die handwerkliche Fischerei genutzt und darüber, was getan werden könnte, um ihren Kampf um mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und in politischen Kreisen zu unterstützen. Im Laufe der Jahre ist die Zahl der handwerklich arbeitenden Fischer in Europa stetig gesunken, was größtenteils auf eine industriefreundliche Politik und Subventionen zurückzuführen ist. In den meisten nordeuropäischen Ländern, in denen ein Großteil der Fangzuteilungen nach wie vor in Form von nationalen TAC (zulässigen Gesamtfangmengen) erfolgt, erhalten die kleinen Küstenfischer bestenfalls einen Bruchteil der Tonnage, die den Industrieschiffen zugeteilt wird. Diese werden in einem jährlichen vor Weihnachten stattfindenden „Kuhhandel“ von den für die Fischerei zuständigen Ministern beschlossen. Offensichtlich besteht geringes Interesse, wertvolles "politisches Kapital" in die heikle Frage zu investieren, wie man aus der anhaltenden Krise herauskommt. Die handwerkliche Fischerei, einst das Rückgrat der Versorgung mit hochwertigem Fisch für den menschlichen Verzehr, hat in Europa in dem Moment wirtschaftlich an Bedeutung verloren, als die anhaltende Überfischung ihr den Boden unter den Füßen wegzog und Importe aus aller Welt die schrumpfenden heimischen Anlandungen ausglichen. Dies ist auch im Mittelmeer der Fall, wo 85 % der Fischbestände in einem äußerst schlechten Zustand sind! Sozialstudien in den 1990er Jahren zeigten noch eine andere Seite der Medaille: Die Söhne der Küstenfischer hatten andere Ideen für ihre Zukunft entwickelt, da sie kaum Partner finden konnten, die ihren oft anstrengenden Lebensstil akzeptierten. Mütter rieten ihren Kindern ab, in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten.
Touristen, die ihren Urlaub an den Küsten der Ostsee, der Nordsee und des Mittelmeers verbringen, fühlen sich besonders von den Szenen angezogen, in denen Kleinfischer frischen Fisch abladen und an Land ihrer Arbeit nachgehen. Sie lieben es, die alten Geschichten zu hören und erwarten den Reiz der maritimen Kultur, die sich im Handwerk der Küstenfischer widerspiegelt, sowie den Genuss von frischem, hochwertigem Fisch.
Sie lieben diese Atmosphäre so sehr, dass eine Kollegin aus Schweden uns von den verzweifelten Maßnahmen der Gemeinden erzählte, die Schauspieler anheuerten, um den Touristen vorzuspielen, sie seien Fischer, da die echten Fischer aus ihrer Existenzgrundlage vertrieben worden seien. Nach Schätzungen der FAO gibt es in Europa nur noch etwas mehr als 400.000 handwerkliche Fischer, nicht gerade ein starkes Wählerreservoir oder eine mächtige Lobbygruppe.
Dabei könnten gerade diese Fischer, die schonende Fanggeräte einsetzen, die Hüter der Ressourcen sein, wie Mundus maris bei einem Besuch bei Paolo Fanciulli in Talamone an der toskanischen Küste Italiens feststellen konnte. In seinem Unterwassermuseum, dem Haus der Fische (la Casa dei pesci), wird mit Hilfe von versenkten Marmorskulpturen die illegale und äußerst zerstörerische Grundschleppnetzfischerei von dem für Handwerker wie ihn reservierten Küstenstreifen ferngehalten. Die wertvollen Posidonia-Wiesen, Kinderstube vieler Spezies, sind so geschützt und die Fische können zu reproduktiven Größen heranwachsen. Der Schutz dieses noch kleinen Teils des Meeres hat bereits einige der Funktionen eines gesunden Meeresökosystems wiederhergestellt und zieht sogar Delphine, Schildkröten und andere bedrohte Arten wieder an. Wo Wissenschaft, Kunst und engagierte Menschen aufeinandertreffen, rückt ein besseres Leben in greifbare Nähe.
Können Sie sich vorstellen, dass ein gut geschützter, gesunder Ozean unter umsichtiger Bewirtschaftung fünf Millionen Tonnen mehr Fisch in europäischen Gewässern produzieren könnte, wie unabhängige Wissenschaftler bereits 2016 in einem Bericht konstatierten? Diese kämen zu den damals angelandeten 8,8 Millionen Tonnen hinzu, was einer Steigerung von 57 % entspricht.
Stellen Sie sich vor, die Handelsminister in der WTO würden endlich die schädlichen Subventionen in Höhe von 22,2 Mrd. USD pro Jahr, die öffentliche Finanzierung der Überfischung vor allem industrieller Flotten und die Anreize für illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU) einstellen.
Stellen Sie sich vor, die Verhandlungen in der UNO würden zu einer Vereinbarung über den ernsthaften Schutz von 30 % der Weltmeere bis 2030 führen, einem sustantiellen Teil aller Arten von Meeresökosystemen. Das hätte enorme positive Auswirkungen auf die Wiederherstellung der Funktionen und der Produktivität dieser Ökosysteme. Es würde das Massensterben von Arten deutlich verlangsamen und die Rolle des Ozeans bei der Klimastabilisierung positiv beeinflussen. Es würde auch einer sicheren und florierenden Fischerei mit geringen Umweltauswirkungen zu neuem Leben verhelfen.
Solche Beschlüsse würden die Wiederbelebung hochwertiger Lebensmittelwertschöpfungsketten durch Männer und Frauen ermöglichen und das Beste aus den maritimen Traditionen auf ein neues Niveau bringen.
Anstatt neue Hindernisse und Einwände aufzutürmen, sollten wir uns zusammentun, um eine solche Vision zu verwirklichen. Dazu braucht es mehr als die heute noch verbliebenen handwerklichen Fischer. Es ist eine Vision, die unsere gesamte Gesellschaft einbezieht, wenn wir versuchen, unbekannte Gewässer des Wandels zu durchqueren - eines Wandels, der ein respektvolles Zusammenleben mit dem Ozean und untereinander ermöglicht. Es gibt zahllose Möglichkeiten, sich diesem Thema zu nähern - mehr dazu finden Sie bei der Ocean Summit Initiative in Kiel (auf Deutsch).
Möchten Sie uns helfen, mehr Menschen zu erreichen und positive Veränderungen zu ermöglichen? Ein einfacher erster Schritt besteht darin, die kostenlose FishBase Guide App aus dem Google Play Store herunterzuladen, um wichtige Informationen über jede Fischart zu erhalten. Geben Sie einfach den Namen des Fische in einer in Ihrem Land gebräuchlichen Sprache ein.. Sie erfahren zum Beispiel, bis zu welcher Größe sich die Art fortpflanzt und was die optimale Größe für hohe Fangmengen ist. Auf einen Blick erkennen Sie außerdem die Anfälligkeit der Art für Überfischung. Die App hilft Ihnen, als Erzeuger oder Käufer Kriterien zu erhalten, um Entscheidungen für eine nachhaltige Nutzung zu treffen.
Wenn Sie uns unterstützen und sich ein wenig mehr in unsere Arbeit einbringen möchten, können Sie Mundus maris unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und die Ocean Philosophers unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! kontaktieren - wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Und 2022 ist das Internationale Jahr der handwerklichen Fischerei (nternational Year of Artisanal Fisheries). Lassen Sie uns die Chance gemeinsam ergreifen!
Text und Fotos - Cornelia E Nauen, Übersetzung Claudia Mense.