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Vorbereitung und Hintergrund der Ausstellung

 
Die unzähligen Festlichkeiten der Zweihundertjahrfeier der lateinamerikanischen Unabhängigkeiten von den ehemaligen Kolonialmächten bieten eine gute Erinnerung daran, wie vielfältig unsere Geschichte miteinander verflochten ist und bis heute lange Schatten wirft, auch wenn wir nun einige dieser relativ neuen  Entwicklungen durch verschiedene Brillen betrachten. Es gibt sicherlich mehr zu verstehen als politische und wirtschaftliche Entwicklungen, so wichtig sie auch für den Verlauf der Geschichte und unser heutiges Leben sind.

Wir (Mundus maris) wurden von CERCAL, dem Zentrum für Lateinamerika-Studien an der Freien Universität Brüssel (ULB) gebeten, eine Ausstellung zu gestalten, die den interdisziplinären Charakter eines internationalen Kolloquiums stärker entwickeln würde. Dieses Kolloquium wurde von CERCAL in Zusammenarbeit mit dem belgischen Föderalen Öffentlichen Dienst für Auswärtige Angelegenheiten zum Gedenken an die Zweihundertjahrfeiern der lateinamerikanischen Unabhängigkeiten organisiert und von der spanischen Präsidentschaft der EU und mehreren anderen Organisationen unterstützt. Der Titel des Kolloquiums war "¡Libertad! Lateinamerika / Karibik und Europa - Aus gemeinsamen Wurzeln zu einer Allianz für das 21. Jahrhundert". Es fand im Palais Egmont II in Brüssel, Belgien, am 11. und 12. Februar 2010 statt. Die Veranstaltung war ausserdem ein Beitrag im Rahmen des 175 Jahre-Feier der Freien Universität Brüssel. Die Posterausstellung wurde zum ersten Mal in dieser Gelegenheit öffentlich gezeigt.

Das Kolloquium sollte historische, politische, sozio-ökonomische Perspektiven erforschen und nach neuer gegenseitigeBefruchtung zwischen verschiedenen Bereichen der Forschung suchen. Die ökologische Dimension der Vergangenheit und die Zukunft der Beziehungen zwischen Lateinamerika, der Karibik und Europa wurden nur am Rande angesprochen. Die Ausstellung im Rahmen des Kolloquiums kann diese Lücke nicht füllen. Es ist nichtsdestoweniger eine Gelegenheit, um auf die allumfassende Natur aufmerksam zu machen, von der auch unsere Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks ein Bestandteil sind. Als Mundus maris, schenken wir natürlich besonderes den Meeren Beachtung, denen wir unser Leben verdanken und die auch die Route der ersten Begegnung durch die europäischen Entdecker Lateinamerikas war.

Die Entwicklung der Ausstellung ist eine bescheidene Erinnerung daran, dass die physikalische, biologische und soziale Welt von vor 200 Jahren noch so manche bemerkenswerte Erkenntnisse für uns heute bereithält. Zumindest glauben wir das, während wir uns fragen, wie wir „die Kurve kriegen können“, um uns auf nachhaltigere Formen des Lebens einzustellen und auf ein akzeptables Miteinander auf dem einen Planeten, den wir haben. Wir möchten sicherstellen, dass unsere Kinder und Enkel noch (oder wieder) einige der Schönheiten und die Vielfalt genießen können, die unter dem Druck menschlicher Demografie und mangelnder Nachhaltigkeit der Produktions-und Konsummuster verloren gegangen ist.

Die Internationale Initiative "Mundus maris - Wissenschaften und Künste im Dienst von Nachhaltigkeit" ist gerade auf Annäherung zwischen den verschiedenen Strängen des menschlichen Wissens und die Suche nach nachhaltigen Beziehungen mit unserer natürlichen und sozialen Umwelt angelegt. Sie ermutigt, dies in einer Weise zu tun, die uns als Teil der Natur sieht. Sie strebt danach, Schulen und junge Menschen mit in diesen Aktivitäten zu engagieren. Wir beobachten, dass Wissenschaft ohne die kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft meist nur mit langen Verzögerungen bei der Bereitstellung wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse für der Gesellschaft wirksam wird. Starke soziale und ethische Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Forschung sind auch eine robuste Art und Weise negative unbeabsichtigte Konsequenzen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, die sonst auftreten können oder bereits in Erscheinung getreten sind. Das Bild von Melina Höhn des Helmholtz-Gymnasiums Hilden, Deutschland, trägt den Titel "Mutter Natur kümmert sich um ihr Kind" und ist eine künstlerische Reaktion auf die Konfrontation mit Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung.

Die Kombination der naturwissenschaftlichen Ergebnisse mit den Künsten, ästhetischer Erziehung, der Achtung und des Umgangs mit traditionellem ökologischem Wissen in verschiedenen Gesellschaften und implizite Formen des Wissens bilden ein reiche und robuste Grundlage für die Entwicklung der Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse, basiert auf Respekt und Nutzen über Generationen, physische, politische und andere Grenzen hinweg.

Die Ausstellung legt den Schwerpunkt auf die beispielhaften Qualitäten von Charles Darwin, der in der Epoche der Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Staaten geboren wurde. Sein moderner, wissbegierig kritischer und aufgeschlossener Ansatz kann uns auch heute noch vieles lehren. Er hat bereits zu seiner Zeit Bedenken geäußert, dass Überfischung das Überleben der marinen Lebenswelt und der Menschen an der Südspitze des Kontinents bedrohen könnte. Er konnte aber nicht wissen, wie weitreichend der Ansturm der modernen Technologien, nur wenig mehr als ein Jahrhundert später, die marinen und litoralen Ökosysteme und ihre menschlichen Bewohner beeinträchtigen würde.

Die Plakate dieser Ausstellung zeigen nur einige Facetten, wie sich wissenschaftliches Verständnis entwickelt hat. Wir "stehen auf den Schultern von Riesen", wie Darwin einer war. Sie zeigen auch, dass es möglich ist, die Wissenschaft über die Fachkreise hinauszutragen - sehr viel mehr in den öffentlichen Raum, wo sie während Darwins Zeiten war und dort auch ernsthaft und öffentlich diskutiert wurde. Alle, auch Künstler und Schulen mit ihren Jugendlichen sind eingeladen, sich in die Aneignung und Nutzung der Wissenschaften einzumischen.

Engagement ist hier gewünscht im Austausch von Wissen auf verschiedenen Ebenen, in der Einladung zu eigener kritischen Untersuchung und Ausdruck. Engagement soll auch nicht bei der Diagnose haltmachen, sondern, aktiv zusammen mit anderen, nachhaltige Alternativen zu der tiefen Krise in Natur und Gesellschaft umsetzen, die uns alle betrifft. Wir sind nicht alle in gleicher Weise betroffen, aber gemeinsam werden wir mehr Möglichkeiten erkennen, als die meisten von uns allein, befangen in ihrem täglichen Leben. Dies ergibt sich aus der Forschung und wird auch von den jungen Menschen erlebt, die sich auf die Reise begeben. Wir laden die Besucher ein, sich zu uns zu gesellen und ihre Perspektiven und aktive Solidarität zu den nächsten Schritten der Reise beizutragen.


Poster 1: Entdeckung

 

Charles Darwin (CD) studierte die Natur Südamerikas mit größerer Rigorosität und Offenheit als viele seiner Zeitgenossen. Welche Faktoren trugen dazu bei, wenn man bedenkt, dass herausragende Menschen nie selbst gemacht, sondern das Ergebnis harter Arbeit, eines günstigen Umfelds und einer Gelegenheit sind?

Unter den frühen Erfahrungen Darwins war seine Beziehung mit John Edmonton, „einem ehemaligen südamerikanischen Sklaven afrikanischer Abstammung von Bedeutung, den er in Edinburg kennenlernte und bei dem CD Privatunterricht in der Präparation von Tieren nahm. Es scheint, diese Begegnung öffnete seinen Geist, Menschen über seinen eigenen engen Klassen- und ethnischen Hintergrund hinaus zu respektieren. Auf diese Weise konnte er von den verschiedensten Menschen lernen, die er in seinen späteren Reisen und seiner ausgedehnten Lektüre traf und so schließlich in der Lage war, eine Theorie zu formulieren, die die gesamte Menschheit umfasst und uns in der allgegenwärtigen Natur einbettet. Dies hebt sich ab von den trennenden Systemen, die durch weniger aufgeschlossene Zeitgenossen, z. B. Louis Agassiz und Richard Ower, vorgeschlagen wurden, deren religiöse Vorurteile kombiniert mit sozialem Opportunismus letztlich ihre Wissenschaft untergrub.“1 (frei übersetzt)

Diese Offenheit machte es CD möglich, alles akurat zu berichten, was er beobachtete, wie es in seiner Erzählung sichtbar ist. Er fühlte Erfurcht vor der Natur (die Pflanzen und Tiere umfasste, einschließlich Insekten und Menschen), die ihn in Südamerika empfing. Sein wacher und offener Geist sog alles auf, fügte alles zusammen, katalogisierte und analysierte später alles, was er beobachtet hatte. Die Vollständigkeit seiner gesamten wissenschaftlichen Arbeit hat sicherlich viel der Tatsache zu verdanken, dass er alles katalogisierte (einschließlich anthropologischer Berichte). Zu dieser Zeit war er der erste seiner Zeitgenossen, das zu tun. Tatsächlich entwickelte er wahrscheinlich diese Art der Berichterstattung, die für uns auch heute noch sehr nützlich ist.

Während seines langen und produktiven Lebens, demonstrierte CD ein tiefes Verständnis der Beziehung zwischen den beobachteten Tatsachen und der Theorie. Er war ständig auf der Suche nach den zugrunde liegenden Prinzipien, die erst den ansonsten isolierten Fakten aus den Beobachtungen, den Experimenten, der Lektüre und dem Austausch mit anderen Menschen in einer kohärenten Weise eine Bedeutung geben. Es ist diese kritische Haltung und das stängie Nachprüfen, die uns heute noch zugute kommen und als Grundeinstellung relevant bleiben.

1) Pauly, D., 2004. Darwin's Fishes. Cambridge University Press, 340 p.


Poster 2: Darwins Fische


Darwinfinken sind jedermann geläufig, aber hier wollen wir stattdessen den Schwerpunkt auf Darwins Fische legen, die von Daniel Pauly studiert und in einer hervorragenden Enzyklopädie mit heutigem Wissen angereichert wurden (siehe Fußnote 1 oben).

Die harten Bedingungen, die CD während der fünfjährigen Reise um die Welt als gebildeter Begleiter des Kapitäns der HMS Beagle, Kapitän Robert Fitz Roy auf sich nahm, kann man sich kaum unter den angenehmen Bedingungen vieler heutiger Reisen vorstellen. Die Entbehrungen, Disziplin und unermüdlichen Anstrengungen waren erforderlich, um die außergewöhnliche Sammlungen von Tieren, Pflanzen, paläontologische Reste, Gestein usw. zurück zu bringen, obwohl er mit Seekrankheit zu kämpfen hatte. Später an Land, war dieselbe unermüdliche Disziplin notwendig, um ihre Herkunft zu bestimmen, und sie prägte Darwin für den Rest seines Lebens.

Seine zoologischen Notizen zeigen nicht nur, dass er gewissenhaft und respektvoll gegenüber der Natur war, mit der er konfrontiert wurde, sondern auch, dass er zuerst und vor allem ein sehr guter Feldbiologe war. Sie können mehr über Darwins Fische und die anderen mehr als 31.000 Fischarten durch Nachschlagen in www.fishbase.org erfahren.

NB: die Zahl der von der Wissenschaft beschriebenen Fischarten stabilisiert sich auf ca. 33,000 seit 2014.

 


Poster 3: Was steckt hinter einem Namen?


Dieses Poster zeigt nur eine kleine Auswahl der Assoziationen, die sich mit dem Namen eines Fisches aufdrängen - in diesem Fall die emblematische peruanische Anchoveta - Engraulis ringens (ihr wissenschaftlicher Name).

Zu den offensichtlichsten gehören die historische Nutzung dieser Schlüsselart im peruanischen Auftriebs-Ökosystem, nicht nur ihre Bedeutung in den kulturellen Praktiken und Repräsentationen, sondern auch ihre Rolle für Arbeitsplätze, in der Küsten- und Offshore-Industriefischerei, für die Verarbeitungsindustrie und andere Bereiche, wo mit Anchoveta Geld verdient und verloren wird.

Die Anchoveta ist auch das Glück der Seevögel und ihrer Brut und das wiederum bildete die Grundlage einer einst profitablen Salpeter- und Düngemittel-Industrie in Peru und Nordchile.

Last, but not least, waren die Sardellen und das Ökosystem, in dem sie eingebettet sind, Objekt umfangreicher biologischer Studien, die ihren meteoritischem Aufstieg zu 13 Millionen Tonnen Fischereiproduktion im Jahre 1972 dokumentierten. Das war die größte Fischerei der Welt bis zu ihrem Zusammenbruch aus einer Kombination von Überfischung und einem El-Niño-Ereignis. Anchovies sind seit den neunziger Jahren wieder reichlich vorhanden, bleiben aber anfällig für ähnliche Konstellationen wie Anfang der 70er Jahre. Die aktualisierten peruanischen Fänge können im Sea Around Us Projekt auf dem Stand im Jahr 2010 gesehen werden.

Siehst du das zarte Ceviche auf dem Plakat? Sollten Sardellen nicht in großem Stil in die menschliche Ernährung eingeführt, anstatt zu Fischmehl und -öl reduziert an Schweine und Lachse verfüttert zu werden? Unter anderem würde eine solche Nutzung einen enormen Mehrwert für die peruanischen und chilenischen Wirtschaft erbringen, von der zusätzlichen hochwertigen Nahrung ganz zu schweigen. Siehe das Video, in dem Daniel Pauly genau das vorschlägt.


Poster 4: Biodiversitäts-Informationssysteme

FishBase und SeaLifeBase sind öffentliche, Internet-gestützte, globale Archive der veröffentlichten Daten über Nomenklatur, geographisches, biologisches, ökologisches und traditionelles Wissens über aquatische Organismen.

Begonnnen vor 20 Jahren um das Fischereimanagement mit soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterstützen, hat sich FishBase in ein Informationssystem über biologische Vielfalt aller Fische auf der Erde (z.Z. ca. 33.000 Arten) entwickelt. Mit mehr als einer Million Besuchern pro Monat auf der Webseite, dient FishBase vielen Nutzergruppen für verschiedene Zwecke durch Schnittstellen in 21 Sprachen und 8 Spiegelstationen rund um den Globus.

AquaMaps verwendet Daten zum punktuellen Vorkommen in Verbindung mit ökologischen Parametern, um Verbreitungsgebiete von Arten nach der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens zu modellieren (von 0,01 – geringe Wahrscheinlichkeit - bis 1,00 – bestätigtes Vorkommen).

Verschiedene 'Instrumente' geben Benutzern interessante Analyse-möglichkeiten an die Hand, eine ganze Anzahl abrufbar in der Rubrik 'Tools'.

Die Fischbestimmungsschlüssel helfen bei der Identifizierung der vorliegenden Arten durch ein schrittweises Abfrage-System mit Informationen über Verteilung, morphologische Daten (zB meristische Merkmale) und Fischbilder. Feldführer können auch mit dieser Struktur maßgeschneidert erzeugt werden.

Das Ökosystem-Überwachungsinstrument ermöglicht Vergleiche 'vorher' und 'nachher' in Bezug auf Veränderungen der trophischen Ebene in einem Bestand zu bestimmen, zB an Hand von Fangdaten für Fische und wirbellose Tiere für zwei Perioden in einer Zeitreihe.

Das Analysesystem der Lebensgeschichte von Arten ermöglicht die Schätzung fehlender zentraler biologischer Parameter aus vorhandenen Daten. Es gibt eine erste Vorstellung davon, wie gut eine Fischart oder ein ganzer Bestand den fischereilichen Druck aushalten kann.

Die Größen-Frequenz-Analyse bietet eine graphische Darstellung des Status der Bestandsausbeutung.

Das viel jüngere SeaLifeBase versucht, mit Hilfe der FishBase Plattform seit dem Jahr 2006 den großen Erfolg von FishBase für die Meeresorganismen aller Ozeane (die nicht Fische sind) zu wiederholen. Es kann sich auf 20 Jahre Kompetenz und Erfahrung von FishBase stützen und darüberhinaus die Grundstruktur des autoritativen taxonomischen Katalog des Lebens (Catalogue of Life) und des Weltregisters von Meeresarten (World Register of Marine Species) nutzen. SeaLifeBase befindet sich also in einer besseren Lage als FishBase zu Beginn. So war es auch möglich, innerhalb der ersten zwei Jahre bereits Informationen für mehr als 80.000 Meereslebewesen zu sammeln.

Beide, FishBase und SeaLifeBase, sind getragen von Netzwerken von ca 2,000 freien Mitarbeitern weltweit. Als Datenlieferanten, tragen beide IT-Systeme zu vielen internationalen Initiativen und nationalen Programmen bei, z.B. dem Katalog des Lebens (Catalogue of Life), dem Strichkode des Lebens (Barcode of Life), der Lebensenzyklopädie (Encyclopedia of Life), GenBank, der IUCN, dem Projekt "Das Meer Rund Um Uns" (Sea Around Us Project) und vielen anderen.

FishBase ist getragen, und SeaLifeBase anerkannt, von einem internationalen Konsortium von 9 Institutionen:

  • Muséum National d’Histoire Naturelle, Paris, Frankreich;
  • Musée Royal de l’Afrique Centrale, Tervuren, Belgien;
  • Swedish Museum of Natural History, Stockholm, Schweden;
  • Institut für Meereskunde, Kiel, Deutschland;
  • the WorldFish Center, Los Baños, Philippinen;
  • FAO, Rom, Italien;
  • the Fisheries Centre of the University of British Columbia, Vancouver, Canada;
  • School of Biology in the Department of Zoology, Aristotle University, Thessaloniki, Griechenland;
  • Chinese Academy of Fisheries Science, Beijing, China.

 Die Finanzierung für die Entwicklungsstadien des Systems wurde von der Europäischen Kommission bereitgestellt.


Poster 5: Die Nahrungsnetze hinabfischen

Die Beobachtung der üppigen südamerikanischen Natur um ihn herum, veranlasste Darwin, den Wert der Seetangwälder als Lebensraum einer Vielzahl von Lebensformen zu würdigen. Er schreibt (frei übersetzt): "[...] Ich kann diese großen Unterwasser-Wälder der südlichen Hemisphäre nur mit den terrestrischen in den tropischen Regionen vergleichen. Doch wenn in jedem Land ein Wald zerstört würde, glaube ich nicht, dass annähernd so viele Arten von Tieren zugrunde gehen würde, wie hier durch die Zerstörung der Braunalgen. Zwischen den Blättern dieser Pflanze leben zahlreiche Fischarten, die sonst nirgendwo Nahrung und Obdach finden könnten; mit deren Vernichtung würden die vielen Kormorane und andere fischfressende Vögel, die Otter, die Robben und die Schweinswale vergehen; und endlich würden auch die Feuerländer Wilden, die elenden Herrn dieses elenden Landes, ihr kannibalischen Festmahl verdoppeln, bis ihre Zahl abnähme und sie vielleicht ganz aufhörten zu existieren." 1)

Im Nordpazifik hat die durch Menschen erzeugte Reduzierung der Seeotter den Druck auf die Seeigel verringert, die ihrerseits den Seetang dezimiert haben. Im Südpazifik, wurde näher an den städtischen Zentren heftigen fischereilicher Druck auf die Seeigel ausgeübt, denn sie galten als Delikatesse; im Ergebnis profitierte der Seetang davon. Weiter im Süden kann es durch die Fischerei auf Krabben, deren Nahrung u.a. Seeigel sind, zu einem Bevölkerungswachstum dieser Seeigel, die wiederum den Seetang stark reduzierten. 2)

Neben den erwähnten spezifischen Fällen haben Wissenschaftler die dramatischen Auswirkungen der Fischerei auf andere Ökosysteme der Meere und Küsten dokumentiert und rund um die Welt einem beschleunigten Niedergang besonders in den letzten 50-100 Jahren festgestellt. Was wir heute an Ökosystemen studieren, ist in der Regel ein Schatten seines früheren Selbst.

Im Nordatlantik, einer gut untersuchten, datenreichen Region für solche Analysen, zeigt sich, dass die Biomassen (Bestände) der großen Fische an der Spitze des Nahrungsnetzes, die oft der Schlüssel zur Erhaltung produktive Ökosysteme sind, nur noch zwischen 5 und 10% ihrer Größe von vor 100 Jahren haben. 3)

Es zeichnet sich ab, dass, wenn Biomassen der wichtigsten Arten in der Nahrungskette für längere Zeit unter 20% ihrer ursprünglichen Bestandsgröße fallen, die Funktionsfähigkeit des Ökosystems und seine Fähigkeit, sich auf das Niveau früherer produktiverer Zustände zu regenerieren, schwer belastet sind. 4)

1 Darwin, C. 1846. Journal of Researches into the Natural History and Geology of the Countries Visited During the Voyage of H.M.S. Beagle Round the World, Under the Command of Capt. Fitz Roy, R.N. Vol. 1. New York: Harper & Brothers, Publishers, 309-310.

2 Tegner, M.J. And P.K. Dayton, 2000. Ecosystem effects of fishing in kelp forest communities. ICES Journal of Marine Science, 57:579-589.

3 Christensen, V., S. Guénette, J.J. Heymans, C.J. Walters, R. Watson, D. Zeller and D. Pauly, 2003. Hundred-year decline of North Atlantic predatory fishes. Fish and Fisheries, 4:1-24.

4 Froese, R. and A. Proelß, 2010. Rebuilding fish stocks no later than 2015: Will Europe meet the deadline? Fish and Fisheries, DOI: 10.1111/j.1467-2979.2009.00349.x


Poster 6: Einfache Indikatoren

Man braucht keine Hochschulausbildung, um zu verstehen, dass die Fischerei von Fischbabys, die man nicht zu einer fortpflanzungsfähigen Größe hat wachsen lassen, nicht nachhaltig sein kann. Aber woher wissen wir, ob wir ein Fischbaby vor uns im Netz oder auf dem Markt haben?

Dank FishBase können Sie die Mindestgröße "der ersten Geschlechtsreife" für alle Fische nachgucken, die vom Menschen genutzt werden, und das für das gesamte Spektrum der Temperaturen, in denen sie überleben können und die beeinflussen, wie sie wachsen. Nicht jeder kennt bereits FishBase oder hat jederzeit Zugriff auf das Internet.

Dank des INCOFISH Forschungsprojekts, gibt es Plakate und Fischlineale, die für häufige Fische entwickelt und in mehreren Ländern verbreitet wurden, um zu helfen, diese Mindestlängen in verschiedenen Situationen leicht bestimmen zu können auch wenn es keinen Zugang zum Internet gibt. Eine Auswahl davon ist hier gezeigt. Solche Aktivitäten wurden besonders in Peru und in Deutschland nachhaltig verfolgt, u.a. durch eine Medienkampagne der Verbraucherzentrale Hamburg auf der Basis der Forschungsergebnisse.

Nahrungsmittel-Führer wurden als ein weiteres Werkzeug entwickelt, um den Verbrauchern zu erkennen helfen, ob der Fisch, den sie auf dem Markt zu kaufen wollen oder im Menü eines Restaurants sehen, aus nachhaltiger Fischereipraxis stammt oder vielleicht sogar auf der IUCN Roten Liste gefährdeter Arten oder von CITES aufgelistet ist (CITES verbietet den internationalen Handel bedrohter Arten).

Solche Nahrungsmittelführer sind mittlerweile in Nordamerika und Europa weithin verfügbar, zum Beispiel über Mobiltelefon und das Internet. Aber es muss noch viel mer für den Wiederaufbau geschädigter Ökosysteme getan werden, wobei die gezielte Kaufentscheidung der Verbraucher auch helfen kann.

Es gibt zudem wenig beachtete, aber wichtige wirtschaftliche Faktoren bei dieser Arbeit. Sie wurden von Rashid Sumaila und anderen beschrieben und analysiert, z. B. wirtschaftliches Verhalten, das die Zukunft zu stark abschreibt, sodass kleine Vorteile heute auf Kosten der künftigen, wesentlich größeren, Leistungen bevorzugt werden und dadurch sogar mittlerweile die Produktivkraft der Ökosysteme in Gefahr gebracht wird.

Kurz gesagt, ist der Mechanismus wie folgt:

  • Wenn wir zu viele kleine Fische aus dem Meer entnehmen, realisieren wir heute einen kleinen Vorteil, aber wir warten nicht, dass die Fische ein wenig mehr wachsen und uns dann einen sehr viel größeren Nutzen erbringen.

  • Die Ökonomen nennen das eine Diskontierung. Ein Diskontsatz ist wie ein negativer Zinssatz für ein Kapital, das wir erst in der Zukunft abrufen. Wenn wir einen hohen Diskontsatz verwenden, ist es sinnvoller, nicht zu warten und ein viel geringeren sofortigen Gewinn zu realisieren. Umgekehrt, wenn der Diskontsatz niedrig ist, ist es wirtschaftlicher, langfristig in die Zukunft zu investieren.

  • Wenn wir heute und über einen langen Zeitraum in die Bildung und das Wohlbefinden unserer Kinder investieren, tun wir das, selbst wenn sie keinen großen materiellen Wert daraus zögen. Dennoch schränken wir sogar unseren eigenen Konsum heute ein, damit unsere Kinder gut leben können, weil wir als Eltern das zukünftige Einkommen unserer Kinder nicht als das unsrige betrachten.

In öffentlichen Räumen wie es das Meer weitgehend ist, können die Wirtschaftsbeteiligten unwiderstehlich versucht sein, Raubbau an allen Rohstoffen zu betreiben, vor allem wenn Bankzinsen (die "andere Seite der Medaille" der Diskontierung) viel höher sind als die intrinsische Fähigkeit der Natur zur Erneuerung. In solchen Gebieten der Welt ist es besonders wichtig, große Meeresschutzzonen (MSZ – MPA in englischer Abkürzung) als eine Art Versicherung für künftige Leistungen zu schaffen. Vergleichen Sie die Weltkarten miteinander. MSZ sind besonders wichtig, wo Diskontsätze (untere  Karte) orange bis rot sind (Sumaila, 2009).

Andere Faktoren kommen auch ins Spiel, zB. wenn die Regierungen Subventionen zu den realen Kosten des Kraftstoffs zahlen, künstlich die Kosten des Bootsbaus senken oder helfen, die Fangeffizienz zu erhöhen und damit die Fischereifänge über die bekannte nachhaltige Regenerierungsfähigkeit der Ökosysteme treiben.

Diese Subventionen wurden von der Weltbank wie folgt geschätzt: 11 Mrd US $ pro Jahr in Asien, 5 Mrd US $ in Europa und 4,5 US $ in Lateinamerika und der Karibik. Nicht alle Subventionen sind schlecht. Ausnahmen sind die Erhöhung der Sicherheit auf See oder Hilfen für Fischer und ihre Kinder zur Verringerung der Fischerei oder sinnvoller alternativer Beschäftigung.

All dies soll zeigen, dass die verantwortliche Kaufentscheidung der Verbraucher wichtig sein, aber diese tieferen Probleme allein nicht lösen kann. 

Quelle der ökonomischen Analysen:

Sumaila, U.R., 2009. Economics for sustainable oceans: Science for empowering solutions. Präsentation auf der Nachhaltigkeitskonferenz der EU, 27. Mai 2009, Brüssel, Belgien.

 


Poster 7:  Babys gehören nicht auf den Teller - Die Reaktion der Jugendlichen

Die Reaktion der Jugendlichen an der Europäischen Schule in Brüssel I, Belgien, die mit diesen wissenschaftlich dokumentierten Fakten konfrontiert wurden, war zunächst Schock über den fortgeschrittenen Zustand der Verschlechterung der Küsten-Ökosysteme in vielen Teilen der Welt. Dann kam gleich die Frage, was tun, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Situation zu ziehen, damit Abhilfe geschaffen wird.

Die Einladung, über die Kampagne der Wissenschaftler, Umweltverbände und Verbraucherzentralen für nachhaltige Produktion und Verbrauch nachzudenken, hatte einige unerwartete Ergebnisse.

Nicht allein mit technischen Maßnahmen oder Argumenten zufrieden, wollen ihre Gemälde, Zeichnungen und Computer-Installationen aufrütteln, indem sie den Betrachter aus dem gewöhnlichen Szenario herauslösen - Mensch fängt Fische – und hier den Spieß umdrehen: Möchten Sie menschliche Babys fischen oder in aufgegebenen Geisternetzen verstrickt sehen? Sind Sie unsicher über die Identität ob Fisch oder Mensch?

 

 

 

 




Poster 8:  Junge Menschen für ein Engagement interessieren

Wir träumen von gesunden Ozeanen voller Leben, funktionierenden marinen- und Küsten-Ökosystemen und wohlhabenden Gemeinden handwerklicher Fischer und für die Herstellung qualitativ hochwertiger Lebensmittel verantwortlicher Frauen.

Wir träumen von Fischereigemeinden als den Hütern der Küstengebiete, die auch helfen, Piraten fern- und das Meer sauber zu halten, in denen die Kinder sich stolz darauf freuen, das Meer zu untersuchen, darüber zu lernen und nur soviel zu fangen, wie mit seiner Regenerations-fähigkeit vereinbar ist.

 

Wir träumen von intakten Korallen und Mangroven, die weder durch die globale Erwärmung noch durch Verschmutzung oder wahlloses Abholzen bedroht sind und den natürlichen Küstenschutz im Gleichgewicht zwischen den ökologischen und menschlichen Bedürfnissen sicherstellen.

 

Wir träumen von der Nutzbarmachung der sauberen Wellenenergie unter Beibehaltung der Ehrfurcht vor der Natur und dem Sinn für ihre Schönheit.

 

Wir träumen vom Studium des Meeres, das uns umgibt, und versuchen, die Dynamik von Strömungen besser zu studieren, die z.B., wie der Golfstrom, ihre Wärme nach Europa tragen und unserer gemäßigtes Klima ermöglichen, oder die großen Fischereien in den Auftriebsgebieten nährstoffreichen Wassers vor Westafrika, Peru und Chile erlauben. Diese riesigen „Förderbänder“ zirkulieren weltweit und stellen eine Verbindung her zwischen den entlegensten Ecken der Erde.

Und wir wollen zusammenarbeiten, so dass der Traum nicht zum Albtraum wird.

In diesem Geist wollte die Arbeitsgruppe Künste (jetzt Arbeitsgruppe Wissenschaft und Kunst für Nachhaltigkeit) des Helmholtz-Gymnasiums Hilden, Deutschland, nicht nur die Schönheit erfassen und die Liebe für das Meer wecken, sondern auch seine Zerbrechlichkeit durch ihre Auseinandersetzung mit der Problematik mit Hilfe künstlerischer Fotografie zeigen. Weitere ihrer Arbeiten werden in der Dokumentation einer Ausstellung mit anderen Schulen und professionellen Künstlern 2009 mit dem TitelNachhaltige Meere durch die Augen der Kunst".

 


Poster 9: Wie können sich junge Leute angesprochen fühlen?

Die Mischung aus Angst, Wut, Schönheit und Hoffnung, die in diesen Arbeiten zum Ausdruck kommen soll, will Gefühle hervorrufen, die nicht so leicht durch die Lektüre einer wissenschaftlichen Publikation ausgelöst werden. Sie nehmen Impulse aus der Wissenschaft als Ausgangspunkt, beteiligen den Betrachter aber auch auf einer emotionalen Ebene.

Die ästhetische Reflektion über die wissenschaftliche Erkenntnisse und Konzepte eröffnet zusätzliche Möglichkeiten zu begreifen und neue Erkenntnisse zu verarbeiten.

Die Besucher sind eingeladen, selbst zu erkunden, zumindest nicht gleichgültig zu bleiben.

 

 

 















 

Poster 10: Ode an die Hoffnung

Diese kurze Reise eines wenig bekannten Teils der Verbindungen zwischen Europa und Lateinamerika aus der Perspektive unserer Beziehung zum Meer beginnt mit den wissenschaftlichen Untersuchungen, die so entscheidend von Charles Darwin vorangetrieben wurden. Diese Reise lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass die gleichen Namen - hier der berühmten peruanischen Anchoveta - so viele verschiedene Perspektiven und Arten von Wissen und Erfahrung heraufbeschwört. Die Platkatausstellung katapultiert uns an die Frontlinie der heutigen Meereswissenschaften und die Bemühungen, die Wissenschaft für jedermann leichter zugänglich machen und Fairness für alle durch öffentlich zugängliche Quellen des Wissens herbeizuführen, die in vielen Sprachen zugänglich sind und viele Wege zu Fragenstellungen eröffnen.

Wir suchen nach neuen Synthesen zwischen den Wissenschaften und künstlerischen Ausdrucksformen, um ein breiteres Spektrum von menschlichen Wahrnehmungen und Bedürfnissen anzusprechen. Dies ist auch eine Möglichkeit, sich auf junge Menschen einzulassen und sie zu ermutigen, sich für nachhaltige Beziehung zu den Meeren einzusetzen.

Wir konnten diese Reise keinesfalls ohne eine Hommage an den großen chilenischen Dichter Pablo Neruda beenden, der ein Haus am Meer hatte und das Gedicht "Ode an die Hoffnung" komponierte. Die kritische Untersuchung und der Ausdruck der tiefen humanistischen Einstellung dieser beiden großen Geister können Mentoren für unsere eigene Suche nach einer neuen Beziehung zum Meer und den Menschen unserer beiden Kontinente sein. Das Gedicht ist hier in freier deutscher Übersetzung mit dem Einverständnis der Pablo Neruda-Stiftung wiedergegeben.

Ode an die Hoffnung

Morgengrauen über den Ozeanen
im Mittelpunkt
meines Lebens.

Wellen wie Weintrauben,
der Himmel ist die Einsamkeit,
Du erfüllst mich
und überflutest mich
das ganze Meer,
den ganzen Himmel,
Bewegung
und Raum,
die weißen Bataillone
der Schaum des Meeres,
die orange-farbige Erde,
die feurige Taille
der Sonne
in Agonie,
so viele
Gaben und Talente,
Vögel
mit drastischem Anstieg in ihre Träume,
und das Meer, das Meer,
freigesetztes
Aroma,

Chor von resonantem Salz,
und in der Zwischenzeit,
wir,
Männer,
zusammen mit dem Wasser,
kämpfen und hoffen,
zusammen mit dem Meer
Hoffnung.

Und die Wellen sagen der festen Küste;
"Alles wird erfüllt werden."

Pablo Neruda

Diese Plakatausstellung wurde im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Künstlern und Schulen erstellt und ist Bestandteil der Aktivitäten der Mundus maris Initiative. Die meisten der zusätzlichen Informationen sind im Begleitheft zur Ausstellung enthalten und auf der Webseite neben jedem Plakat reproduziert.

Für weitere Informationen besuchen Sie andere Teile dieser Internetplattform oder kontaktieren Sie uns unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Vorschläge und konstruktive Kritik herzlich willkommen.

Für die finanzielle Unterstützung der Arbeit mit Schulen für die Nachhaltigkeit der Meere und kulturelle Vielfalt können sie hier einen finanziellen Beitrag leisten:
Mundus maris Konto bei der Belfius Bank Brüssel - IBAN: BE54 0688 9178 6297 - BIC/SWIFT: GKCCBEBB

Erstellung:
Rachel Atanacio, graphische Gestaltung der Plakate;
Deng Palomares, wissenschaftliche Betreuung;
Claudia Wosnitza und Jaime Mendo, regionale Beratung und Fotos;
Cornelia E. Nauen, Konzept und Übersetzung ins Deutsche.