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Senegal, April 2013. Durch eine Reise von der Hauptstadt Dakar über Kayar nach Saint Louis im Norden bekommt ein Besucher einen Eindruck von den Anforderungen an Raum und Ressourcen an der Küste und die Schwierigkeiten bei der Aufnahme mehr und mehr Menschen. Google-Earth-Bilder helfen einige Fotos über konkrete Situationen in einen größeren Zusammenhang zu stellen.

Dakar entgeht nicht den oft chaotischen Urbanisierungstrends großer Küstenstädte anderswo. Das Anwachsen der Bevölkerung ist das Ergebnis lokaler Demographie und der Anziehungskraft Dakars auf Menschen, die Schwierigkeiten haben, in ländlichen Gebieten über die Runden zu kommen. So beträgt die Bevölkerung von Dakar im Jahre 2005 nach der letzten offiziellen Schätzung etwas mehr als 1 Million Einwohner. Diese Zahl ist wahrscheinlich heute längst übertroffen. Schon damals wurde die Bevölkerung der Metropolregion auf der Halbinsel Kap Verde auf fast 2,5 Millionen geschätzt. Die Verwaltungsreform von 1996 hat die Metropolregion überschaubar in 19 Gemeinden gegliedert.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die ursprünglichen Lebu-Siedlungen, wie Yoff und Hann, geographisch vom Zentrum Dakars (Plateau) getrennt waren. Inzwischen sind sie Teil einer fast ununterbrochenen Metropolregion, die Obdach, Nahrung, Wasser, Energie und Verkehr für die ständigen Bewohner, ihre Besucher sowie für die unzähligen Geschäfte und Dienstleistungen anbietet, die für eine Vielzahl von wirtschaftlichen, sozialen und Freizeit-Bedürfnisse bereitstehen.

Heute verbreiten sich Strassenmärkte rund um das Gebäude der historischen Sandaga- und Kermel Märkte auf dem Plateau der Halbinsel Kap Verde, die das historische und aktuelle politisch-administrative Zentrum ist. Handy-Anbieter befinden sich jetzt in den anliegenden Straßen und Straßenecken rund um die wachsende Stadt, eine Reaktion auf die sich ständig veränderte dynamische Nachfrage.

Es zeugt von grossen organisatorischen Fähigkeiten, Energie und Einfallsreichtum, dass die Logistik Tag für Tag funktioniert.

Nun, manchmal funktioniert sie aber auch nicht. Und die Leistungen haben ihren Preis. Das wird jeden Tag sichtbar an dem Verkehrsstau und an den weitgehend ungeklärten kommunalen und industriellen Abwässern, die ins Meer geleitet werden. Sie riechen die Luftverschmutzung. Sie sehen schmale Fußwege und Türen, und können sich die beengten Wohnverhältnisse vorstellen.

Wenn Sie die Situation vor 20 Jahren mit heute vergleichen, bemerken Sie eine enorme Zunahme von Abfall und Unrat auf den Straßen und den einst so schönen Stränden. Der Unrat kann deprimieren und dazu führen, die eigene Hemmschwelle für ein korrektes Sauberkeitsverhalten herabzuschrauben. Dies steht auch oft in Zusammenhang mit schlechter Wartung von Straßen und Gebäuden. Dieser Zustand muss nicht so sein, denn innnerhalb der Häuser ist grosse Sorgfalt zur Erhaltung der Ordnung und Sauberkeit zu sehen. Aber die öffentliche Bereiche haben einen Großteil ihrer Attraktivität verloren, da sie mit Plastiktüten und allerlei Unrat verschandelt sind.

Schwierigkeiten gibt es auch bei den öffentlichen Dienstleistungen, insbesondere die Nachfrage nach Schule und Bildung, Gesundheit, Energie und Kommunikation für eine Bevölkerung zu gewährleisten, die sich in einer relativ kurzen Zeitspanne verdoppelt hat.

Starke Verbindungen innnerhalb der Großfamilien und der Nachbarschaft bleiben eine Quelle der gegenseitigen Unterstützung.

Der Ausbau der Hafen-Aktivitäten verbunden mit eiem Wandel hin zu mehr Containerverkehr, Schiffswartung und Reparatur sowie einem Umschlagplatz für Erdöl- und evtl. Erdgas ist eine weitere wichtige Entwicklung, die nicht ohne Einfluss auf die wirtschaftliche Struktur des Landes und der Küstenbevölkerung bleibt. Wir haben nicht speziell die Erdöl-und Gaswirtschaft und ihre vielfältigen Wirkungen untersucht, aber einen Blick auf die wichtigsten Auswirkungen auf die Umwelt geworfen, die in dem IUCN Nachschlagewerk über Meeres- und Küstengebietein Nordwestafrika zusammengefasst sind. Das Handbuch enthält eine verständliche Einführung in die natürliche Struktur und Dynamik der Küste. Es zeigt das Gleichgewicht zwischen Erosion und Akkretion auf und wie diese von den Strömungen und dem Vorhandensein oder Fehlen von Flüssen beeinflusst werden, die als Material vom Land ins Meer transportieren.

Erosion wird oft verstärkt, wenn Flüsse gestaut werden, die sonst das Material vom Land ins Meer schwemmen würden, und es stattdessen im Stausee ablagern. Die Gezeiten und Strömungen können dann die Küste stärker angreifen. Ein ziemlich spektakuläres Beispiel dafür ist die Wiederfreilegung der antiken, von Menschen geschaffenen Strukturen auf dem Meeresboden im Nildelta in Ägypten nach dem Bau des Assuan-Staudamms.


Von Dakar nach Kayar

Die Herausforderungen für ein nachhaltiges Leben an der Küste mit erneuerbaren Ressourcen brauchen viele neue Ideen, wie man die oft konkurrierenden Ansprüche an Raum und Ressourcen miteinander vereinbar macht.

Was die Situation in Kayar betrifft, so zeigt der grüne Kreis auf der Google-Karte die Lage der Realschule (CEM) am Rande der Stadt. Der rote Kreis markiert die jüngsten Übergriffe der Urbanisierung, die Hand in Hand gehen mit der meist illegalen Sand-Extraktion.

Diese Entwicklung zerstört schrittweise den Küstenwald, der die Dünen stabilisiert und reichlich Süßwasser produziert. Die geographische Lage Kayars erlaubt es, auf die natürlichen Reichtümer des Meeres zurückzugreifen und dank des vorhandenen Süßwassers, hochwertige Gemüse für die nahe gelegenen Märkte zu produzieren.

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Der Gemüseanbau - und damit Landbesitz und Nutzung - gewinnt an Bedeutung in Reaktion auf den Rückgang der Fischerei, obwohl diese auch weiterhin ein wichtiges Standbein der lokalen Wirtschaft bleibt. Der WWF unterstützt die laufenden lokalen Anstrengungen, um durch die Einrichtung einer Meeresschutzzone die abgewirtschafteten Ressourcen wieder zu regenerieren. Abdoulaye Diop, der nationale Präsident des Kollektivs senegalesischer handwerklicher Fischer (CNPS), der in Kayar wohnt, unterstützt voll und ganz diese Bemühungen.

In vielerlei Hinsicht hat die Stadt von den Boomjahren der Fischerei profitiert, wie man es an der wachsenden Urbanisierung ablesen kann. Die Stadt holt auf, da sie besser mit dem Rest des Landes verbunden wird. Das ist eine Herausforderung für die vorherrschende traditionelle Lebu-Kultur, und wirft neue Fragen über den Umgang mit den sich verändernden Erwartungen der Jugend auf, wie mit den veränderten Lebensbedingungen umzugehen ist.

Kayars Söhne, die die Auswanderung auf tückischen Strecken nach Europa überlebten, helfen ihren glücklichen Familien wirtschaftlich mit Geldüberweisungen und neuen Ideen; aber andere fühlen sich zurückgelassen und ausgegrenzt.

Wie kann man neue Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen, die notwendig sind, um erfolgreich die laufenden Veränderungen zu bewältigen und um fit zu werden für die Zukunft? Wie kann man angesichts der offenen Übertretungen von bestehenden Gesetzen und Verordnungen zum Wohle aller Bürger und nicht nur für wenige Auserwählte regieren?

Als Folge der sozialen Veränderungen haben sich auch die Vorstellungen über den Nutzen der Schulbildung verändert. Die vier Grundschulen können kaum die große Zahl der Kinder aufnehmen – es gibt bis zu 120 Schüler pro Klasse. Es überrascht nicht, dass viele Kinder nicht das Ende der Grundschule erreichen, trotz der besten Bemühungen der Lehrer. Für diejenigen, die die Grundschule beenden, bietet Kayar nur eine Realschule (CEM) für die weiterführende Schulausbildung an. Das CEM hat zu wenig Klassenzimmer und eine prekäre Grundausstattung. Möbel für Kinder und Lehrer sind unvollständig und die Laborgeräte für mehr naturwissenschaftlichen Unterricht sind immer noch ein Traum des Direktors. Mittel für Investitionen in grundlegenden Infrastruktur, einschließlich der Dächer und Schutzwände sind völlig unzureichend. Der Schulleiter und die Lehrer haben ihre eigenen Ansicht zu den unbefriedigenden Bedingungen für alle Mitglieder der Schulgemeinschaft und entwickeln so gut sie können Initiativen, um Verbesserungen herbeizuführen. Abibou Diop, Direktor der Realschule leistete gründliche Lobbyarbeit für Verbesserungen, mit einigem Erfolg. Aber es bleibt noch viel zu tun. Es braucht viel Kraft, um trotz der enormen Schwierigkeiten weiterzumachen. Die Lehrer verdienen Anerkennung und Unterstützung dafür. Einige Highlights sind hier zu verzeichnen.

Müll-Abfuhr und Verarbeitung ist ein weiterer problematischer Bereich. Die ungeregelten Deponien gerade vor der Haustür des CEM und im Wald vermitteln ein Gefühl von Missachtung für die Stadt und reduzieren beachtlich die Lebensqualität. Ein Großteil der Kunststoffe werden im Meer enden und tragen zur globalen Krise, verursacht durch die Meeresverschmutzung besonders durch Plastikabfälle bei.

Mit frei herumlaufenden Ziegen und Schafen ist es unvermeidbar, dass sie Reste der Kunststoffe und anderen Müll fressen, die für die Tiere ungesund sind und später für die Menschen, die das Fleisch essen. Die Tiere tragen auch zur Verbreitung des Mülls bei.

Zumindest anlässlich des Welt-Umwelt-Tages, am 5. Mai, haben die Realschule und wohl auch andere Schulen wieder eine fantastische Strand-Reinigungs-Aktion geplant. Im vergangenen Jahr war diese sehr erfolgreich.

Wie wäre es, jeden Tag des Jahres als Welt-Umwelt-Tag zu begehen, um Kayar in eine sehr schöne und bunte Stadt zu verwandeln?

Man könnte sich sogar um das Abwasser kümmern, das Teile des Landeplatzes verunreinigt.

Die Einrichtung solcher Dienste für die Allgemeinheit und ihre Aufrechterhaltung setzt voraus, dass die Bewohner selbst nicht mehr bereit sind, in einer heruntergekommenen Umgebung zu leben. Es würde bedeuten, dass sich einige Arbeitsgewohnheiten ändern müssten und auch Wege finden, für solche Dienste zu zahlen.

Könnte die Notwendigkeit zur Erfüllung Hygienestandards für zum Export bestimmter Meeresfrüchte und diversifizierte wirtschaftliche Aktivitäten Anreize schaffen, um das Abfallproblem anzugehen, bevor es zu einem ernsten Problem der öffentlichen Gesundheit wird? Werden die stolzen Einwohner von Kayar und ihre Anführer bald eine effektive Lösung finden?

An der Grundschule Kayar 1 achten der Direktor und die Lehrer besonders darauf, dass die Kinder jeden Tag im Schulhof und den Klassen den Müll sammeln und trennen, um ihre Lernumgebung sauberzuhalten.

Es ist ein täglicher Kampf, denn auch wenn niemand in der Schule selbst Papier oder Müll wegwerfen würde, kann der Wind Müll herumwirbeln, der sich dann in den Ecken ansammelt. Der tägliche Aufwand des Müllsammelns zahlt sich aus, denn die ordentlichen Räumlichkeiten strahlen eine angenehme Atmosphäre aus.

Die Kinder haben scheinbar die Lektion gelernt. Wir sahen das Ergebnis in Form von verschiedenen Müllsäcken, die in einer windgeschützten Ecke aufgetürmt waren. Man kann nur hoffen, dass die Endlagerung genauso gut gehandhabt wird, um die positiven Lernerfolge mit einem dauerhaften Engagement über die Grenzen der Schule hinaus zu gewährleisten.

Bei dem Besuch aller Klassen mit Direktor Adama Ndiaye (siehe Foto rechts), haben wir auch festgestellt, dass die Kinder trotz überfüllter Klassenräume prompt und kompetent die Fragen des Direktors beantworteten.

Werden sie die zukünftigen Führungskräfte und gesellschaftliche Erneuerer sein? Es gibt keinen Grund, dass zu bezweifeln.

Wieder auf dem Weg in Richtung Saint Louis, blieben wir in Gedanken beschäftigt mit den verschiedenen Strategien der Leute, auf die wir gestoßen waren, um ihr Los zu verbessern. Wir haben durch die verschiedenen Begegnungen gelernt: da ist einmal die Suche nach kurzfristigen Vorteilen, welche generell auf wenig Wissen und Aufmerksamkeit für die Konsequenzen des Handelns beruht. Auf diese Einstellung trafen wir bei dem ungeplanten (und zT illegalen) Vordringen der Stadt und seinen unmittelbaren Folgen wie Sandabbau. Wir trafen aber auch auf die längerfristige Investition in die Erziehung der Kinder, die als notwendig erachtet wird, damit sie besser für die Zukunft gerüstet sind.


 

Saint Louis, Guet Ndar und die Bodenverlagerung im Senegal-Flussdelta

Auf dem Weg sahen wir viele Zeichen gegensätzlicher Entwicklungen, neue Konstruktionen und Wohlstand auf der einen und völlige urbane Verwahrlosung und Kunststoff Verschmutzung auf der anderen Seite.

In Saint Louis angekommen, nahmen uns die verschiedensten Eindrücke gefangen: ein erster Blick auf die alte koloniale Inselstadt, die trotz der beengten Verhältnisse in Guet Ndar erfolgreiche Fischerei... und es schienen die Klänge des berühmten Jazz-Festivals in der Luft zu hängen, das jedes Jahr im Mai Liebhaber aus der ganzen Welt nach Saint Louis zieht.

Einer der Vorzüge des modernen Reisens besteht darin, dass man dank Google Earth einen ersten visuellen Eindruck "von oben" bekommt, noch bevor man angekommen ist. Es hilft die viszerale Erfahrung auf dem Boden einzuordnen.

Das Google Earth-Bild zeigt den kolonialen Teil von Saint Louis auf der Insel, durch eine Brücke mit der Langue de Barbarie verbunden, auf dem unteren linken Teil des Bildes. Die Faidherbe Brücke bildet den Anschluss an das moderne Saint Louis auf der anderen Seite. Das Ganze ist eingebettet in das sich dauernd bewegende Land- und Wasserlandschaftsbild des Senegal-Flussdeltas.

Ein Großteil der Langue de Barbarie ist dicht besiedelt, vor allem der Teil des überfüllten Fischerdorfes Guet Ndar, gegenüber der Insel Saint Louis. Der verbleibende Platz wird durch einen riesigen islamischen Friedhof eingenommen, die sogenannte Hydrobase, weitläufige Hotelkonstruktionen, die in höherer Auflösung auf der rechten Seite des Bildes zu sehen sind, und eine marine Schutzzone an der Spitze der Halbinsel.

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Der Fischereibetrieb von Guet Ndar ist wahrscheinlich der größte im Land und nicht nur auf diesen Ort beschränkt. Die Fischer dort haben schon seit langem einen guten Ruf wir Malick Gueye unterstreicht. Er ist einer ihrer historischen Führer, jetzt ein Imam. Noch mit 92 Jahren setzt er sich weiter für die friedliche Koexistenz der Religionen und Gemeinschaften ein. Er ist auch sehr besorgt wegen der aktuellen, übermäßig zerstörerischen Fangmethoden. Nach der Unabhängigkeit wurde Malick selbst mit ein paar Kollegen des Fischerdorfs von der Regierung als Entwicklungshelfer nach Benin, in den Golf von Guinea, geschickt, um dort die lokalen Fischer in wirksamere Fangmethoden einzuführen. Das Interview mit der Geschichte seines außergewöhnlichen Lebens ist hier verfügbar.

Die Besatzungen der Fischerboote von Guet Ndar haben in der Vergangenheit mit industriellen Schiffsbesitzern eine Abmachung unterzeichnet, die sie und ihre Pirogen auf Mutterschiffen bis nach Guinea transportierten, damit sie dort hochwertige Bodenfische fangen sollten und die Qualität dank der Kühleinrichtung an Bord des Mutterschiffs erhalten konnten. Mehrere Besatzungen operieren auch regelmäßig von Nouadhibou in Mauritanien aus, um den europäischen Markt direkt durch Las Palmas bedienen zu können. Ein Großteil der saisonalen Sardinellen, die in Ringwadennetzen gefangen werden und am Strand gegenüber der Insel Saint-Louis angelandet werden, gehen heutzutage in Kühlfahrzeugen direkt nach Mali. Was lokal verarbeitet werden kann, wird von den Frauen aus Guet Ndar getrocknet, geräuchert oder mariniert. Sie arbeiten unter sehr schwierigen Sanitär- und Platzverhältnissen am Strand.

Als kommunale Beraterin in Saint Louis, vertritt Awa Seye aus Guet Ndar die Interessen ihrer Gemeinschaft im Rat und vis-à-vis der Verwaltung. An der Spitze ihrer Aufmerksamkeit stehen drei Anliegen:

Sorge Nummer eins ist ohne Zweifel die Frage der Sicherheit auf See. Die rund zwei Dutzend ertrunkener Männer auf See in den ersten Monaten des Jahres 2013 ist ein hoher Preis an Todesopfern, der viele der Familien in Guet Ndar betrifft. Im Oktober 2012 öffnete die Verwaltung die schmalste Stelle des unteren Teils der Langue de Barbarie, um so schwere Überschwemmungen in der Stadt zu verhindern. Unerwartet vollzog sich eine Verbreiterung auf etwa 200 Meter anstatt der zügigen Schließung der neuen Lücke. Durch den vorherrschenden Wasser- und Sandtransport durch die Öffnung änderten sich nun die Bewegungen und die Positionen der Sandbänke. Selbst mit Sicherheitsmassnahmen wie GPS und Schwimmwesten mehren sich die Unfälle, die das Leben der Fischer kosten.

Es ist ein viel diskutiertes Problem, aber es scheint, aus irgendwelchen Gründen sind die Hafenbehörde, die Sicherheitskräfte, die betroffenen öffentlichen Dienste, die Forscher der Universität, die NGOs und die Fischer noch nicht zu einer gemeinsamen Suche nach tragfähigen Antworten auf diese tödlichen Gefahren zusammen gekommen.

Sorge Nummer zwei ist das Problem der Mütter- und Kindersterblichkeit und der öffentlichen Gesundheit allgemein. Nachdem Awa selbst mehrere Totgeburten erlitt, hatte sie in ihren jüngeren Jahren die Chance, als Hebamme geschult zu werden. Sie ergriff diese Chance mit beiden Händen und hat seitdem geholfen, viele Babys auf die Welt zu bringen, zunächst sogar in ihrer eigenen Wohnung. Sie arbeitet immer noch daran, wie die Gesundheitsversorgung in Guet Ndar verbessert werden kann und fördert die systematische Einschulung der Kinder, vor allem der Mädchen. Sie will, dass sie gut vorbereitet und in der Lage sind, auf der Grundlage besserer Information Entscheidungen zu treffen. Etwa 22 Mädchen sind nach ihr benannt, in Anerkennung ihrer Rolle als Hebamme und für herausragende Zivildienste.

Sorge Nummer drei ist es, ausreichende und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für die Frauen in der Fischverarbeitung und Vermarktung zu gewährleisten. Dabei kommen eine ganze Reihe von Fragen auf. Die erste ist, eine größeres Mitspracherecht bei der Zuweisung und Verwaltung des sehr begrenzten Raums auf der Langue de Barbarie zu bekommen. Die Frauen behaupten ihr Recht auf ausreichenden Platz, um ihr Geschäft abwickeln zu können. Sie sind nicht mit der Positionierung der Kühlfahrzeuge einverstanden. Diese geschieht teilweise unter Nichtbeachtung der geltenden Vorschriften. Der größte Dorn im Auge der Frauen sind die Landansprüche der Operateure im Geschäft mit dem Tourismus.

Nicht anders als die Entwicklungen in anderen Teilen Senegals und in anderen Ländern, gibt es einen wachsende Wettbewerb zwischen der traditionellen Fischerei, der Entwicklung der Infrastruktur und der Form des Tourismus, der in den Händen von externen Investoren liegt und der lokalen Gemeinschaft keine Vorteile bietet. Ganz im Gegenteil, denn nur allzu oft brauchen die Touristen eigene Sicherheitsvorkehrungen, Nahrung, und stereotype Ausblicke - danach hinterlassen sie nur ihren Müll. Aus ihren Geländewagen schießen sie folkloristische Fotos von den farbenprächtigen Booten und dem Trubel am Strand in Guet Ndar, aber sie halten nicht an, um der Gemeinschaft etwas abzukaufen.

Es ist ein heikles Thema. Mehr als ein Fischerdorf hatte gehofft, dass der Tourismus eine alternative Einkommensquelle bringen könne, wenn eine Krise des Wachstums-Zyklus erreichen ist. Aber das bewahrheitet sich nur, wenn die Menschen in der Lage sind, durch ihre Fähigkeiten und Kapazitäten zumindest einen Teil des Geschäfts selbst zu übernehmen. Dies gelingt aber oft nicht. Wenn traditionelle Fischerdörfer nicht über den politischen Einfluß verfügen, um die Rahmenbedingungen der gewünschten Diversifizierungen zu beeinflussen, dann haben sie gegenüber von externen Investoren mit grosser finanzieller Überlegenheit verloren. Diese Überlegungen stellt auch Awa an, wenn sie für ein größeres Mitspracherecht bei der Sicherung von Interessen für die Bewohner von Guet Ndar eintritt. Sie artikuliert dies in den öffentlichen und privaten Diskussionen über die beeinträchtigte Sicherheit auf See und allen anderen lebenswichtigen Interessen ihrer Leute.

Davon abgesehen erlebt die Gemeinde ihre eigenen Herausforderungen, die nicht ausschließlich von der Zusammenarbeit mit anderen abhängig sind. Wie der Blick von der Brücke in Richtung Guet Ndar zeigt, ist eine dieser Herausforderungen, die Arbeitsflächen am Strand sauber zu halten.

Eine weitere Aufgabe ist es, den Einsatz der verbotenen monofilen Netze aktiver zu unterdrücken. Diese können in aller Öffentlichkeit gesichtet werden. Es gibt scheinbar wenig Sinn für falsches Handeln, und noch weniger Anstrengung, die Regeln durchzusetzen. Wir sehen, die Gemeinde ist nicht homogen und Probleme werden von den verschiedenen Familien unterschiedlich bewertet. Das Eigeninteresse wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten – abhängig von der jeweilig sich ändernden Lage – priorisiert und verschieden wahrgenommen.

Leider scheint auch die kleine, nominelle Schutzzone an der verbleibenden Spitze der Langue de Barbarie weder immun gegenüber Vermüllung des gesamten Raums noch vor Befischung gefeit zu sein. Während unseres Besuches der Zone mit Awa, fanden wir im angeblich geschützten Bereich eine Gruppe von Fischern, die ungestört mit den monofilen Nylonnetzen von einem Boot aus fischten. Außerdem sahen wir auch einzelne Fischer, die zu Fuß am entfernten Ufer arbeiteten.

Im Angesicht der harten Überlebensbedingungen neigen sowohl die Behörden als auch andere Fischer dazu, ein Auge zuzudrücken und den Regelverstoss Einzelner zu ignorieren. Diese Praxis gilt nicht nur für Senegal. Es wäre allerdings wichtig zu erklären, das nachweislich der Respekt vor geschützten Meereszonen als eine Art Versicherung gegen die Schwankungen der Bestandsdichten in der Natur und der Fischerei selbst dienen kann. Darüber hinaus ist die Strategie der saisonalen Migration in benachbarte Länder oder Gebiete immer problematischer, weil die eigenen Ressourcen unzureichend oder überfischt sind. Die Extraktion ausserhalb der eigenen Fanggebiete trägt zu einer allgemeinen Verknappung der Ressourcen bei. In der Vergangenheit war die Migration eine rationale Antwort auf lokale Überfischung oder einfach eine Reaktion auf die Unsicherheit und natürliche Schwankungen der Ressourcen. Unnötig hervorzuheben, dass diese Resourcenerschöpfung die Schwankungen der Verfügbarkeit der Fischbestände verstärkt, während gesunde Ökosysteme in der Regel sehr viel robuster und stabiler sind. So ist die Migration eher ein zweischneidiges Schwert geworden, ohne hier auf die Auswirkungen auf die Fischer in anderen Ländern und Regionen näher einzugehen.

In kurzer Zeit haben wir einige erste Eindrücke über die vielschichtigen Herausforderungen der Organisation von nachhaltigen Lebensweisen an der Küste mit ihren nachwachsenden Rohstoffen gewonnen. Die kurze Reise hat mehr Fragen aufgeworfen als es uns zu beantworten möglich war. Eines scheint sicher: die Notwendigkeit für einen breiter angelegten Dialog.

Wir wiederholen Awa Seyes Vorschlag, einen Raum für den Dialog zu schaffen, in dem alle Beteiligten eine Stimme haben. Das würde auch helfen, die bestehenden Vorschriften besser durchsetzbar zu machen. Sie glaubt, dass dies viel zum Abbau des Misstrauens zwischen den Behörden und der Fischergemeinschaft in Saint Louis und anderswo beitragen kann. Sie ist auch von der Notwendigkeit überzeugt, eine stärkere öffentliche Diskussion unter Beteiligung aller Interessentengruppen in Gang zu bringen. Die Stadt Saint Louis und das ganze Land würden dann eine wichtigere Rolle in der Gestaltung der Zukunft dieser lebenswichtigen Wirtschaft und Kultur spielen.

Text von Cornelia E Nauen, Fotos von Paolo Bottoni. Deutsche Übersetzung von Marianne Braun.