Am 27. Oktober besuchte die Fischereibiologin Cornelia E. Nauen auf Einladung die Universität Leiden (LU), um im Rahmen der 7. Fachkonferenz Environmental Humanities, LU, einen Vortrag über ihre Arbeit bei Mundus maris - Sciences and Arts for Sustainability zu halten. Mundus maris ist eine Nichtregierungsorganisation, die sie 2010 mitbegründete und die sich für die Wiederherstellung, Erhaltung und nachhaltige Nutzung maritimer Ökosysteme sowie die Achtung und Unterstützung handwerklicher Fischer und ihrer traditionellen Kulturen einsetzt.
In einem inspirierenden Vortrag ging Cornelia Nauen auf die Problematik der fehlenden Koppelung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Umsetzung in Politik und Gesellschaft ein, insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Klima- und Biodiversitätskrise. Obwohl Wissenschaftler mit empirischen Belegen auf die Folgen des anthropogenen Klimawandels und des Raubbaus an Ressourcen hinweisen, verhallen ihre Forderungen nach Veränderungen oft ungehört. Wenn überhaupt Lösungen angeboten werden, konzentrieren sie sich oft auf neue Technologien, ohne dass deren Einsatz die definierten Probleme, auch tatsächlich behebt.
Auch wenn technologische Antworten dringend benötigt werden, reichen sie allein nicht aus. Die Auswirkungen der "grünen Technologie" können sogar zerstörerisch sein: "Keine der technischen Lösungen, die wir in den letzten 50 Jahren entwickelt haben, hat den Material- und Energieverbrauch effektiv reduziert - stattdessen verbrauchen wir immer mehr und mehr. Gewinne durch Effizienzsteigerungen gehen wieder verloren, weil mehr Menschen diese Technologie nutzen und sie in größerem Maßstab eingesetzt wird. [....] Was würde passieren, wenn wir 800 Millionen Elektroautos bauen würden?"
Die Suche nach Lösungen zur Bekämpfung der Klimakrise, gegen die Zerstörung der Ökosysteme, die Armut und die Chancenungleichheit der Menschen findet oft auf einer Ebene statt, auf der die Perspektive des tragenden "Fundaments" verloren geht. Globale Verträge über die Ressourcennutzung und den Schutz der biologischen Vielfalt sind wichtig, aber es bleibt oft unklar, ob und wie sie wirklich umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie tatsächlich auf lokale Gemeinschaften haben. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten "Papierparks": Auf dem Papier gesetzlich geschützte Meeresgebiete, in denen die schädliche Ausbeutung offiziell verboten ist, in denen aber aufgrund mangelnder Kontrolle und Durchsetzung weiterhin gefischt wird. Ein weiteres Beispiel sind gut gemeinte Entwicklungshilfeinitiativen, die oft alte koloniale Muster der Ungleichheit fortsetzen und den Menschen, denen sie zu helfen vorgeben, wenig zu bieten haben. Gleichzeitig sehen sich lokale und traditionelle Formen der Nahrungsmittelproduktion einem zunehmenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt, z. B. die handwerkliche Fischerei, die weitaus nachhaltiger ist als industrielle Alternativen, aber von stark subventionierten industriellen Flotten, meist aus dem so genannten globalen Norden, einschließlich China, verdrängt wird.
Ein vielversprechenderer Ansatz besteht darin, sich auf die Stärkung der individuellen und kollektiven Fähigkeiten von Menschen zu konzentrieren, denen die Chancen auf ein besseres Leben bisher verweigert wurden. Ihre Ambitionen sind in der Regel auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse nach Arbeit, Nahrung, Unterkunft und Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung ausgerichtet, was mehreren der Ziele für nachhaltige Entwicklung SDG entspricht. Bemühungen zur Unterstützung solcher Lebensstile und Produktionsweisen könnten nachhaltigere Alternativen zur derzeitigen Verschwendung und zum Raubbau bieten, die durch ein Modell des unbegrenzten Wachstums auf einem endlichen Planeten entstehen. Inspiriert von dieser Idee gründeten Nauen, ihre Mitstreiter bei Mundus maris sowie Männer und Frauen aus der handwerklichen Fischerei die Akademie der handwerklichen Fischerei im Senegal.
Die Akademie zielt darauf ab, die Umsetzung der Freiwilligen Leitlinien für die Sicherung der nachhaltigen handwerklichen Fischerei operativ zu unterstützen. Sie unterstützt die Teilnehmer auf ihrem Weg der Veränderung, indem sie ihnen die Entwicklung maßgeschneiderter Geschäftsstrategien in einem sich wandelnden ökologischen und wirtschaftlichen Umfeld erleichtert. Außerdem fördert sie die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungsketten und eine bessere Vertretung ihrer legitimen Forderungen. Initiativen wie die Small Scale Fisheries Academy nutzen den erleichterten Dialog und die Beratungen zwischen verschiedenen Interessengruppen, Menschen mit unterschiedlichen Berufen im Bereich der Fischerei, Wissenschaftlern, Verwaltern und Unterstützern der Zivilgesellschaft. Die Zusammenführung der verschiedenen Fachkenntnisse und Erfahrungen hilft dabei, lokal angepasste Lösungen für die von den Teilnehmern der Akademie ermittelten Probleme zu finden. Jeder Schritt auf dem Weg der Veränderung wird in Zeichnungen dargestellt, um auch Menschen zu erreichen, die nicht viel Zeit im formalen Bildungssystem verbracht haben. Die Zeichnungen sind sehr konzeptionell. Der mündliche Austausch erfolgt meist in der Landessprache, in diesem Fall Wolof, um eine möglichst zuträgliche Atmosphäre für die Teilnehmer zu schaffen und inklusives Lernen zu gewährleisten.
Mundus maris bemüht sich, relevante Forschungsergebnisse für die weiteren Überlegungen und Planungen leichter zugänglich zu machen. Ein Beispiel dafür sind die Rekonstruktion von Fängen der Sea Around Us Initiative in Vancouver, Kanada. Sie verbessern die nationalen Statistiken, die die handwerkliche Fischerei und die Subsistenzfischerei oft nur unzureichend erfassen. Ein großer Teil der Fänge, einschließlich der Rückwürfe auf See durch Industrieschiffe oder der Fänge durch Freizeitfischer - manchmal mehr als 50 % - bleiben somit ungemeldet. Sie tauchen nicht in den Statistiken auf, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf der Grundlage der nationalen Aufzeichnungen weltweit zusammengestellt werden. Wie die Sea Around Us-Zahlen für den Senegal nahelegen, steht die lokale und handwerkliche Fischerei unter starkem Druck durch die industriellen Flotten, während die Produktivität des Ökosystems seit Ende der 1990er Jahre weiter zurückgeht. Stattdessen, so Nauen, erfordern echte Lösungen neue Herangehensweisen. Sie müssen Möglichkeiten zur Umstrukturierung und Reduzierung von Aktivitäten prüfen, die die aktuelle Krise weiter verschärfen. Viele der vorgestellten Lösungen sind zwar gut gemeint, folgen aber der gleichen Argumentationsweise wie die Mechanismen hinter den zu lösenden Problemen: einer Logik der Vergrößerung, des Ausbaus von Kapazitäten und des Strebens nach weiterem Wachstum.
Eines der drängendsten Probleme in diesem Zusammenhang sind die anhaltenden Subventionen vor allem für Industrieschiffe und über große Entfernungen operierende Flotten, die ein System aufrechterhalten, das andernfalls wirtschaftlich nicht mehr tragfähig wäre. Europäische, nordamerikanische und ostasiatische Staaten investieren jährlich schätzungsweise 20 Mio. USD, von denen etwa 85 % an Industrieschiffe gehen (1). Hier können die Bürgerinnen und Bürger nicht nur des Globalen Nordens wirklich etwas verändern: Sie können ihre Regierungen dazu drängen, die schädlichen Fischereisubventionen einzustellen. Dies wäre eine Lösung, die es den Ökosystemen ermöglicht, sich zu erholen, und die am Ende sogar zu einer nachhaltigeren, handwerklich geprägten Fischerei führen würde. Aus diesem Grund setzt sich Mundus maris als Teil einer breiten Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen dafür ein, dass die Welthandelsorganisation (WTO) ihrem langjährigen Mandat nachkommt und die Finanzierung der Überfischung durch schädliche Subventionen einstellt. In der Tat, es bewegt sich etwas in die richtige Richtung.
Auch hier bleibt die Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen, gesellschaftlichen und politischen Zwängen und gegensätzlichen Interessen ein Problem: Wie Nauen argumentierte, kann die Wissenschaft allein dieses Problem nicht lösen, aber sie kann Debatten und Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen mit Informationen unterstützen.
Die Formulierung guter Beispiele, die wissenschaftliche Ergebnisse zugänglich machen, spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, das Bewusstsein für die großen ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit zu schärfen. Diese Geschichten inspirieren zu künstlerischer Umsetzung, zum gedanklichen Austausch und zur Auseinandersetzung mit von betroffenen Gruppen aufgeworfenen Fragen, um die Integration zu fördern.
Die Natur- und Geisteswissenschaften müssen ihre Kräfte bündeln und die Zusammenarbeit, auch mit Praktikern, intensivieren. Nur so lassen sich Zukunftsvorstellungen entwickeln, die das Experimentieren mit Alternativen zu den gegenwärtigen zerstörerischen Praktiken ermöglichen. Anstatt sich damit abzufinden, dass die vorhandenen Ressourcen immer knapper werden, sollte die Zusammenarbeit darauf abzielen, das Leben zu feiern und den Lebensraum wieder zu erweitern. Dies würde nicht zuletzt zu einer besseren Gesundheit der Bevölkerung und zur Überwindung der Armut und Ernährungsunsicherheit vieler Menschen führen, selbst in den reichen Ländern des globalen Nordens. Die Folien des Vortrags sind hier zum Nachlesen verfügbar.
Diese Botschaft fand bei den Zuhörern, die sich hauptsächlich aus Studenten und Forschern aus den Geistes- und Naturwissenschaften zusammensetzten, großen Anklang. Diese beiden Bereiche zusammenzubringen und ihr gemeinsames Potenzial für eine konstruktive Auseinandersetzung mit den aktuellen Krisen zu erkunden, ist eines der Hauptziele der Environmental Humanities LU-Initiative. Der Vortrag von Cornelia Nauen war einer der Höhepunkte der Vortragsreihe der Gruppe. Er kann auf dem YouTube Kanal von Mundus maris nochmal gehört werden.
Text von Johannes Müller, Universität Leiden, Niederlande; deutsche Übersetzung von Claudia Mense.
(1) Sumaila, U.R., Ebrahim, N., Schuhbauer, A. et al., 2019. Updated estimates and analysis of global fisheries subsidies. Marine Policy, 109, 103695, https://doi.org/10.1016/j.marpol.2019.103695.