Die Geoethik, die vor etwa zehn Jahren von Silvia Peppoloni und Giuseppe Di Capua, Geologen aus Rom, eingeführt wurde, war zu Beginn eher eine bescheidene Idee. Ausgehend von diesen Anfängen hat sich der Arbeitsbereich Geoethik bei der Jahresversammlung 2023 der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) in Wien jedoch zu einem ganztägigen Programm entwickelt. Mundus maris hat wiederholt zu dieser erfreulichen Entwicklung beigetragen, sowohl auf EGU-Konferenzen als auch in damit verbundenen Buchprojekten. In diesem Jahr gab es sogar mehrere Präsentationen, in denen über Feldarbeit und Erfahrungen berichtet wurde, wie man verschiedene Arten, Wissen auszudrücken, innerhalb und außerhalb wissenschaftlicher Erkenntnismodelle berücksichtigen kann.
Beth Fox berichtete über die Herausforderungen interdisziplinärer Studien gefolgt von Fiona Johnsons Darstellung der sozialen Auswirkungen der Missachtung durch Behörden und Bergbauunternehmen gegenüber dem Wissen der Ureinwohner und ihrer Pflege der Natur in abgelegenen Gebieten Nordaustraliens. Im Anschluss daran sprach Cornelia E. Nauen von Mundus maris über die Nutzung von Hosting-Technologien – entlehnt den Traditionen der Gastgeber von kulturellen Salons, um den Dialog zwischen Menschen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund zu ermöglichen.
Angesichts sich überschneidender Krisen ist der Bedarf besonders groß an solchen Ansätzen, die sich auf die gemeinsame Suche nach Lösungen konzentrieren, indem sie eine Vielfalt von Erfahrungen, Ansichten und beruflichen Hintergründen in einem geschützten und respektvollen Dialograum zusammenbringen. Wissenschaftler schätzen, dass die Masse der menschlichen Artefakte inzwischen die Biomasse von Pflanzen und Tieren übersteigt. Das Leben auf dem Planeten ist also auf einem dramatischen Rückzug gegenüber der Technosphäre, durch die der Mensch die Natur ersetzt. Was bedeutet das für unsere eigenen Lebensräume, die auf die Natur und funktionierende marine und terrestrische Ökosysteme angewiesen sind?
Die Beobachtung von industriell betriebener Fischerei aus dem Weltraum zeigt, dass in 55 % aller Meeresgebiete Fischerei betrieben wird. In einigen Gebieten wie etwa um Europa und China wird besonders intensiv gefischt, unter anderem mit die Umwelt zerstörenden Fangmethoden, wie etwa Grundschleppnetzen. Diese verursachen die Verwüstung kritischer Lebensräume für bodenlebende Arten. Der große Mengen des dabei ausgestoßenen CO2, übertrifft wahrscheinlich sogar die der Luftfahrtindustrie.
Die Untersuchungen sind in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht und damit potenziell für jedermann zugänglich. Es dauert jedoch erfahrungsgemäß sehr lange, Jahrzehnte oder sogar mehr als ein Jahrhundert, bis wissenschaftliche Ergebnisse und Erkenntnisse von der Allgemeinheit übernommen werden. Oft sind das die Zeiträume, die beim "normalen Lauf der Dinge" benötigt werden, bevor sich die vielfältigen Auswirkungen wissenschaftlicher Ergebnisse im Leben der Menschen bemerkbar machen: Sie werden in neue Technologien oder medizinische Anwendungen umgesetzt, von denen einige riskant oder sogar negativ sind, andere wiederum sehr positiv.
Es heißt, dass die gleiche Denkweise, die die menschengemachten Katastrophen verursacht, den Schaden nicht beheben kann. Ein breiteres Spektrum von Argumenten zu berücksichtigen, ist daher ein logischer Schritt, um mit solchen Fehlentscheidungen umzugehen und bestenfalls die Katastrophen abzuwenden, indem man rechtzeitig mehrere alternative Wege zur Lösung eines Bedarfs oder eines Problems untersucht. Es hat sich gezeigt, dass die vielen Dialogformate, die zusammenfassend als "Art of Hosting Technologies" bezeichnet werden, in sehr unterschiedlichen Kontexten funktionieren. Mundus maris hat einige davon bereits 2014 in einem gemischten akademischen Umfeld praktiziert und festgestellt, dass die Prinzipien auch in der Akademie für handwerkliche Fischerei gut umgesetzt werden konnten.
Uns läuft die Zeit davon, und wir brauchen ein breiteres "Instrumentarium", um mit den sich überschneidenden Krisen umzugehen - indem wir das gesamte Wissen der Natur- und Geisteswissenschaften mit der Erfahrung der breiten Masse zusammenführen. Die Folien des Vortrags sind hier verfügbar und die Zusammenfassung in gedruckter Form kann hier abgerufen werden.
Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.