Dr Mecki Kronen (alle Photos von der Autorin)
Der Südpazifik umfasst 14 unabhängige Inselstaaten und 8 Territorien – insgesamt über 200 hohe Inseln und 2,500 tiefliegende Inseln und Atolle - die über eine Region von 4,000 km von Nord nach Süd und 9,000 km von West nach Ost weitgehend im tropischen Bereich verteilt sind. Die Insularität und Diversität des Südpazifiks wird durch das Verhältnis von insgesamt 550,000 km2 Land gegenüber 29 Millionen km2 Meer, d.h. ein Drittel der weltweiten EEZ (ausschließliche Wirtschaftszone) deutlich. Darüber hinaus repräsentiert die Region 3 verschiedene kulturelle Zonen, die geografisch geordnet sind: Melanesien, Mikronesien und Polynesien.
Aufgrund der geringen Entfernung zum Zentrum der Biodiversität (CoB) ist ihr Grad sowohl im terrestrischen als auch im marinen Milieu hoch. Die Korallenriffe des Südpazifiks sind die weltweit mit der höchsten Biodiversität ausgestattetes Ökosysteme dieser Art. Ein einziges Korallenriff kann bis zu 3,000 verschiedene Arten beherbergen. Dieses Potential bedeutet für die Inselstaaten ein enorm hoher internationaler Druck bezüglich ihres Erhalts und Schutzes.
Es wird erwartet, dass die Bevölkerung des Südpazifiks von 9.8 Millionen (2010) auf 15 Millionen Menschen im Jahr 2035 anwächst, wobei dieses Wachstum mit zunehmender Urbanisierung gekoppelt sein wird. Die Abhängigkeit der Bewohner des Südpazifiks von der Fischerei ist hoch, sowohl als direkte Einkommensquelle vor allem in ländlichen und isolierten Küstenstandorten, aber auch als lebenswichtige Ernährungsgrundlage, die sich in einem sehr hohen durchschnittlichen pro Kopf Fischverbrauch widerspiegelt. Es ist abzusehen, dass sich die demografische Entwicklung vor allem als erhöhter Druck auf die Küstenfischerei auswirken wird.
Das Potential der Küstenfischerei ist allerdings bereits heute voll ausgeschöpft. Auf lokaler Ebene sind viele der Bestände bereits überfischt. Einge sind gar zusammengebrochen, ohne dass es sich in der nationalen Statistik widerspiegelt, die vor allem auf die industrielle Fischerei abstellt. Es ist eine ganze Palette von Faktoren, die diesen beunruhigenden Zustand hervorgerufen hat. Dazu gehören: Nicht nachhaltige Fangmethoden, unzureichendes Management und Kontrollen, fehlende Alternativen durch andere Einkommensquellen, Habitat Zerstörung durch Infrastrukturmaßnahmen, Sedimenteintrag und Meeresverschmutzung. Der Klimawandel, vor allem Anstieg des Meeresspiegels, die zunehmende Versauerung und steigende Oberflächentemperaturen des Meeres verstärken dieses Dilemma. Sie werden nach heutigem Verständnis eine geringere Produktionsleistung der Küstenfischerei nach sich ziehen.
Außerdem ist der Südpazifik besonders anfällig gegenüber klimatischen und wetterbedingten Katastrophen, u.a. Wirbelstürme, Sturmfluten und intensive Niederschlägen, die die fast überwiegend in der Küstenzone lebende Bevölkerung wie auch die küstennahen Ökosysteme bedrohen. Der tropische Wirbelsturm Pam, der im März 2015 im Inselstaat Vanuatu mehreren Menschen das Leben kostete und die Lebensgrundlage von Tausenden verwüstete, brachte diese akute Bedrohung ins Bewusstsein auch vieler Menschen, die in anderen Teilen der Erde leben.
Untersuchungen auf regionalem Niveau zeigen, dass artisanale und Kleinfischerei im Südpazifik meist mit Armut verbunden ist. Die Hälfte aller untersuchten Haushalte in Fischergemeinden lebt unter der kritischen Schwelle von 1 USD/Person und Tag und sind deutlich ärmer als andere Dorfmitbewohner, die ihr Einkommen aus anderen Aktivitäten beziehen.
Die weitere Verschlechterung des Zustands der Fischbestände zu vermeiden und so zum Erhalt der Lebensgrundlage der von der Fischerei abhängigen Bevölkerung beizutragen, ist also eine vordringliche Aufgabe. Es gilt, greifende Managementmaßnahmen zu finden und erfolgreich durchzusetzen. Im Fischsektor eignen sich Indikatorarten, die zum einen Aufschluss über den Ressourcenstatus geben, und zum anderen zur laufenden Überwachung von Bewirtschaftungsmaßnahmen verwendet werden können.
Im Rahmen eines EU finanzierten regionalen Projekts wurden fünf Fischfamilien als „Indikatoren“ identifiziert - Scaridae (Papageienfische), Siganidae (Kaninchenfische), Acanthuridae (Doktorfische), und auch, jedoch bedingter Lethrinidae (Schnapper) und Mullidae (Meerbarben). Durch relativ einfach zu bestimmende Faktoren geben sie auf den Gesamtzustand der Bestände. So werden z.B. ihre durchschnittliche Fanggröẞe, ihr Gewichtsanteil im Fang und die durchschnittliche Biomasse bestimmt. Besonders Scaridae (Papageienfische) und Siganidae (Kaninchenfische) leiden sehr stark unter Fischereidruck, der zu einer Abnahme ihrer relativen Dichte und Biomasse führt.
Eine Vielzahl von regionalen und nationalen Institutionen, internationalen Gebern, NROs und Vereine der Zivilgesellschaften engagieren sich im Fischereimanagement, dem Schutz der Meeres und der Biodiversität, der Klimaanpassung, der Armutsbekämpfung und der wirtschaftlichen Entwicklung der Südpazifikinseln. Im Juli 2014 verabschiedeten die Führer der pazifischen Inselstaaten das pazifische Kleinstaaten Rahmenabkommen (The Framework for Pacific Regionalism). Das Kernstück sind die folgenden vier Grundsätze: (1) wirtschaftliches Wachstum, (2) Nachhaltige Entwicklung, (3) Governance, und (4) Sicherheit. Dieses, wie auch das pazifische Rahmenabkommen für Maßnahmen zum Klimawandel (The Pacific Framework for Action on Climate Change 2006-2015) und der seit 2014 bestehende Entwurf für eine gemeinsame Strategie für eine Entwicklung im Pazifik, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und Katastrophen anstrebt, haben gemeinsame Anliegen. Zentrale Themen sind eine Verstärkung des integrierten Küstenzonen Managements (IKZM) und ein multi-disziplinäres Konzept zum sektor-übergreifenden Management, um die oftmals in Konflikt geratenden Nutzungen in der Küstenzone – darunter auch die Fischerei – zu berücksichtigen und unter einen Hut zu bringen.
Warum ist IKZM so wichtig? Die Küstenzone ist der wichtigste Lebensraum im Südpazifik, da er die zentralen Aktivitäten repräsentiert, nämlich Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus. Sie bilden die Lebensgrundlage eines großen Teils der Bevölkerung. Die auf kleinem Raum stark anwachsende Gesamtbevölkerung – vor allem in Melanesien –, zusammen mit Urbanisierung, belastet die natürlichen Ressourcen stark, somit auch der Fischbestände. Die Lebensgrundlage und Wirtschaft der Region ist stark klimaabhängig. Naturressourcen, die jetzt schon extrem belastet sind, sind gegenüber bestehenden und zukünftigen Klimaänderungen äußerst anfällig, d.h. ihre Widerstands- und Regenerationsfähigkeiten müssen deutlich erhöht werden. Der Südpazifik hat zudem eine hohe Vulnerabilität gegenüber Naturkatastrophen mit zum Teil verheerenden Folgen für Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Zusätzlicher Stress gründet auf einem Cocktail aus Armut und von einer Ökonomie, die dominiert wird von Migration, Geldtransfers der im Ausland lebenden Insulaner und Geberabhängigkeit. Dies führt zu nicht nachhaltigen Entwicklungsprozessen, mangelnder Governance, leidenden Ökosystemen durch Übernutzung und Zerstörung.
Die historisch gewachsenen traditionellen Regelmechanismen der Inselgesellschaften tun sich schwer, diese kombinierten Herausforderungen zu meistern. Dies gilt besonders hinsichtlich der notwendigen sinnvollen Verschmelzung von traditionellen Authoritätsstrukturen und Regeln, die neuen Technologien und dem Umgang mit Gebern gerecht werden, und der damit verbundenen, z.T. massiven Geldströme.
Ein integrierter Ansatz, der die Küstenzone in ihrer Gesamtheit von Mensch, Umwelt, Biodiversität und wirtschaftlicher Sicherung und Wachstum betrachtet, ist daher auch eine Hoffnung für die Zukunft der Küstenfischerei, ihrer Ressourcen und Habitate und der davon abhängenden Fischer und Fischkonsumenten. Der Respekt traditioneller Werte und Erfahrungen in der Gesellschaft kann dabei helfen, Brücken zwischen noch existierenden Traditionen und neuen Erwartungen und Verhaltensmustern zu schlagen.
Wissenschaftliche Untersuchungen, die die tatsächlichen Auswirkungen der vielfältigen lokalen Kleinfischereien und nicht nur die international gehandelten kommerziellen Fänge berücksichtigen, können helfen, die Wahrnehmung des Jetzt-Zustandes zu korrigieren und neue Nachhaltigkeitsziele zu formulieren. Dies und anderes in Hunderte, wenn nicht Tausende weit auseinander liegender und größtenteils isolierter lokaler Gemeinden zu tragen und sie praktisch in die notwendige Umgestaltungen zur Existenzsicherung einzubinden, ist DIE große Herausforderung im Südpazifik.