Der neue nigerianische Präsident hat als eine der ersten Innovationen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Nigerias ein Ministerium für Maritime und Blaue Wirtschaft geschaffen. Die Fischerei und die damit zusammenhängenden Fragen einer gesunden und produktiven maritimen Umgebung sind bisher allerdings noch dem Landwirtschaftsministerium unterstellt, obwohl sie für eine nachhaltige Blaue Wirtschaft sehr wichtig sind. Das am 26. September 2023 von Mundus maris und Fish Party in Zusammenarbeit mit Bildungs- und Forschungspartnern in Nigeria organisierte Webinar sollte diesen Wirtschaftszweig beleuchten und aufzeigen, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um seine Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit in Bezug auf die „Gleichstellung der Geschlechter und Berücksichtigung der Jugend“ im Jahrzehnt des Ozeandialogs gelegt, wie es im Untertitel heißt.
Zu den namhaften Rednern gehörten
- Botschafterin Florentina Adenike Ukonga, Exekutivsekretärin, Kommission für den Golf von Guinea
- Dr. Remi Akintoye, Fischereiexperte und ehemaliger Landwirtschaftsbeauftragter des Staates Lagos.
- Dr. Ife Okafor-Yarwood, Fischereiexperte und Dozent für nachhaltige Entwicklung, St. Andrews University
- Dr. Mrs. Obatola, Vertreterin des Geschäftsführenden Direktors, Kapitän (Prof.) Abiodun Sule vom Nigerian Institute of Oceanography and Marine Research (NIOMR)
- Prof. Shehu Akintola, Dekan, Fakultät für Landwirtschaft, Lagos State University (LASU, Direktor; FAO Voluntary Small-Scale Fisheries (SSF) Guidelines in Nigeria; Mitglied der globalen Forschungsnetzwerke V2V und TBTI)
- Herr Idowu Hunyinbo, CEO, FishParty, NGO, Nigeria und Mitarbeiter des Bundesministeriums für Fischerei in Lagos.
- Kapitän Oladele Robinson Akinwale, Generalsekretär der Lagos State Fishermen Corporative Association.
Prof. Stella Williams, Vizepräsidentin von Mundus maris, moderierte die Sitzung, während Frau Ayojesutomi Abiodon-Solanke für die technische Unterstützung sorgte.
Der angeregte Diskussion brachte eine ganze Reihe von Schwierigkeiten ans Licht, mit denen Männer und Frauen in der handwerklichen Fischerei in Nigeria konfrontiert sind, obwohl bekannt ist, dass sie eine wichtige Rolle für die lokale Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Fischerzeugnissen spielen. Trotz der unzureichenden statistischen Daten übersteigt ihre Bedeutung die Anlandungen der industriellen Fischerei, insbesondere seit die Fischereibehörde von Lagos nach Abuja verlegt und in das Landwirtschaftsministerium integriert wurde. Es war in der Tat sehr schwierig, den Überblick zu behalten, insbesondere über die weit verstreute handwerkliche Produktion in den Binnengewässern.
Mehrere Redner, darunter Dr. Ife Okafor-Yarwood und Dr. Remi Akintoye, sprachen über die schwierigen Existenzbedingungen und den Mangel an technischer und sozialer Unterstützung für die in der handwerklichen Fischerei tätigen Menschen während ihrer Arbeit vor Ort.
Prof. Shehu Akintola wies darauf hin, wie wichtig es ist, die Umsetzung der freiwilligen Leitlinien zur Sicherung der nachhaltigen Kleinfischerei im Kontext von Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung voranzutreiben, die 2014 vom FAO-Fischereiausschuss verabschiedet wurden.
Idowu Hunyinbo und alle anderen Redner betonten, wie wichtig es sei, durch ein stärkeres Engagement der öffentlichen Verwaltungen eine gute Lenkung des Sektors sicherzustellen. Angesichts der Belastung der Ressourcen durch Plastik und andere Verschmutzungen sowie der Überfischung der Bestände herrschte Einigkeit darüber, dass größere Investitionen in die Aus- und Weiterbildung insbesondere junger Menschen unerlässlich sind, um ein breiteres Spektrum an Beschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb der herkömmlichen Wertschöpfungsketten in der Fischerei zu schaffen.
Es sei unwahrscheinlich, dass noch mehr Menschen gute Arbeitsplätze in Fischereisektor finden könnten. Ein besserer Zugang zur Bildung sei eine Möglichkeit, Chancen in anderen Wirtschaftszweigen zu eröffnen. Junge Menschen brauchten solche Möglichkeiten, um nicht mangels Alternativen kriminellen Banden zum Opfer zu fallen.
Es wurde wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass es zwar guten Willen und viele Ideen gibt, wie die oft schwerwiegenden Probleme angegangen werden können. Es sei jedoch äußerst schwierig, zu Lösungen beizutragen, wenn der Dialog mit den zuständigen Behörden fehle und wenig oder gar keine Bereitschaft zum Handeln erkennbar sei.
Kapitän Oladele Robinson Akinwale wies darauf hin, dass die Küstenfischer sehr durch Limitierung der ihnen vorbehaltenen Zone auf nur 5 Seemeilen leidet. In den küstennahen Gewässern gibt es einfach nicht genug Fisch. Er erwähnte, dass in Ghana ein Vorschlag zur Ausweitung der küstennahen Ausschlusszone auf 12 Seemeilen geprüft wird. Das könnte die Bedingungen für die Fischer verbessern. Darüber hinaus würden selbst diese derzeit reservierten 5 Seemeilen der Küstengewässer von der Küstenwache nicht ausreichend kontrolliert, um Industrieschiffe fernzuhalten. Eine ermutigende Entwicklung sah er in der Gründung eines neuen Unternehmens für den Bau von Glasfaserbooten aus Sri Lanka. Die neuen Boote mit 40-PS-Außenbordmotoren und elektronischen Navigations- und Fischortungsgeräten seien geeignet, um auch weiter von der Küste entfernt sicher zu fischen. Eine erste Gruppe von Fischern hat bereits eine entsprechende Ausbildung durchlaufen.
Hier sind die wichtigsten Ergebnisse der Debatte:
Die nigerianischen handwerklichen Fischer, Männer und Frauen, produzieren etwa 70 % der heimischen Fischereierzeugnisse aus Meeres- und Binnengewässern. Damit tragen sie wesentlich dazu bei, die Nachfragelücke zu schließen, die kostspielige Importe erfordert. Sie werden derzeit auf bis zu 2 Millionen Tonnen geschätzt. Die Wertschöpfungskette, die jüngsten Studien zufolge einen Wert von bis zu 7 Mrd. USD hat, sichert den Lebensunterhalt von etwa fünf Millionen Menschen, die direkt daran beteiligt sind, und trägt wesentlich zur Ernährungssicherheit des Landes bei. Die unzureichenden und nicht aktuellen Statistiken stellen jedoch ein großes Hindernis für die Verbesserung von Steuerung und Produktivität dar. Die oben genannten Schätzungen beruhen auf der Feldarbeit von Forschern und Praktikern.
Selbst die von den Rednern hervorgehobene unvollständige Dokumentation verdeutlicht die nachstehenden Herausforderungen und Möglichkeiten, die ein Eingreifen der Regierung notwendig machen:
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Übertragung der Bereiche Fischerei und Aquakultur auf das neue Ministerium für Meerespolitik und blaue Wirtschaft und Einrichtung einer Direktion, die für alle mit der Verwaltung verbundenen Aspekte zuständig ist. Eine der ersten Aufgaben wäre die Einrichtung eines statistischen Programms zur Untermauerung von Politik und Management.
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Verringerung der Überfischung in den ergiebigen Binnengewässern, um die reichen Ressourcen zu erhalten, indem bessere Lebensbedingungen und die Entwicklung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen gefördert werden.
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Ausweitung der den handwerklichen Küstenfischern vorbehaltenen Zone von 5 auf 12 Seemeilen und Durchsetzung der Regelungen gegen das illegale Eindringen von Industrieschiffen.
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Eindämmung der kriminellen Gewalt gegen Küstenfischer und Unterstützung der Verbreitung von sichereren Booten, um deren Reichweite zu erhöhen und so auf kostengünstige Weise Arbeitsplätze und Nahrungsmittelproduktion zu sichern.
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Zusammenarbeit mit anderen Ministerien und zuständigen Behörden zur Verringerung der Plastik- und Ölverschmutzung, die die öffentliche Gesundheit und die Meeresproduktion stark beeinträchtigen.
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Zusammenarbeit mit anderen Ministerien und zuständigen Stellen zur Verbesserung der sozialen Dienste des produktiven Fischerei- und Aquakultursektors, insbesondere in den Bereichen Bildung und Gesundheit, sowie zur Schaffung von Arbeitsplätze für Jugendliche in verschiedenen Bereichen, auch als Präventivmaßnahme gegen Kriminalität.
Ihre Exzellenz, Botschafterin Adenike Ukonga, bot an, eine Verbindung zum neuen Ministerium herzustellen, um den Dialog und hoffentlich die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, der Zivilgesellschaft und Berufsverbänden zu fördern.
Das zweistündige Gespräch mit mehr als 40 Teilnehmern öffnete ein Fenster zu besserem Verständnis und Dialog. Es ist zu hoffen, dass dies der Beginn einer engeren Zusammenarbeit im Hinblick auf eine nachhaltige handwerkliche Fischerei im Land sein könnte.
Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.