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Fortschritte auf dem Weg zu Suffizienz und Lebensqualität

Das Ziel der Konferenz bestand eindeutig darin, über die Diagnose hinauszugehen und Wege zur Überwindung der zunehmenden Ungleichheit innerhalb der Weltbevölkerung aufzuzeigen. Die Aneignung ungeheuren Reichtums durch das obere 1 % der Weltbevölkerung, das für den Großteil der Klimagasemissionen und des Materialverbrauchs verantwortlich ist. Es macht mehr aus als die unteren 40 %. Daher ist das Ziel " mehr als nur Wachstum". Etliche Redner bezeichneten die immer noch wachsende Ungleichheit als entscheidende Triebfeder, die sich auf alle physikalischen, chemischen und biologischen Konsequenzen auswirkt. Diese Konsequenzen in abgeschwächter Form spüren selbst die Europäer in Form von Hitzewellen, Pandemien, Wasserknappheit nicht nur im Mittelmeerraum und in Form der Notlage wirtschaftlich schwacher Gruppen. Wie kann es als akzeptabel angesehen werden, dass mehr als 260 Milliarden USD als Dividenden ausgeschüttet wurden, während die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer angesichts einer oft zweistelligen Inflation nur um 4 % gestiegen sind?

Wie sieht es also mit strukturellen Abhilfemaßnahmen aus?

Die Entkolonialisierung der internationalen Beziehungen im Handel und in internationalen Organisationen war ein Thema, das von vielen Rednern aufgegriffen wurde, mit dem Ziel tief verwurzelte Ungerechtigkeiten nicht nur im globalen Süden, sondern auch für sozial schwache Gruppen in Europa zu beseitigen. Ein Redner nach dem anderen führte Beispiele an, wie koloniale Regime einst die Möglichkeiten von Menschen und Unternehmen in den kolonisierten Ländern beschnitten haben und wie diese Bedingungen lange Schatten auf die modernen Handelsbeziehungen werfen, die von internationalen Konzernen und vielen Regierungen aufrechterhalten werden. Diese fortbestehenden Ungerechtigkeiten kosten Menschenleben, wie zuletzt bei der Covid-19-Pandemie zu sehen war.

Wir erkennen diese Zusammenhänge auch auf dem Meer: Industrieflotten, die die Gewässer afrikanischer und lateinamerikanischer Länder plündern, oder Bergbaufirmen, die den Tiefseebergbau vorantreiben, um den Raubbau an Rohstoffen fortzusetzen, während bereits sechs von neun globalen Belastungsgrenzen überschritten werden. Und Meereslebewesen, die an Plastik und anderen Abfällen, die ins Meer entsorgt werden, zugrundegehen.

 

Wie kommt es, dass die Finanzminister der G7 mehr Stimmrechte im Internationalen Währungsfonds (IWF) haben als die Finanzminister der Länder des globalen Südens? Wie kommt es, dass Handelsregeln die Wirtschaft in Ländern des globalen Südens, die stark exportorientiert sind, nach wie vor darauf ausrichten, die Bedürfnisse Europas und anderer Industrieländer zu befriedigen und nicht die ihrer eigenen Bevölkerung? Wie kommt es, dass nur 12 % der Produkte und Materialien am Ende ihrer Nutzungsdauer recycelt werden, während die Jagd nach immer aggressiverem Bergbau und Rohstoffabbau für den unstillbaren Energie- und Materialhunger der Industrie weitergeht?

Brauchen wir schnelle Mode, mehr und schwerere Autos, den schnellen Austausch einer stetig steigenden Zahl elektronischer Geräte, den Run auf immer exotischere Materialien und seltene Erden? Wir stellen fest, dass jeder sogenannte Effizienzgewinn bei neueren Technologien durch einen höheren, sogar exorbitanten Bedarf an Energie und materiellen Ressourcen überkompensiert wird. Wir sollten uns fragen, was wir wirklich brauchen, um glücklich und gesund zu sein. Angstsyndrome und ernsthafte psychische Probleme bei 25 % der Bevölkerung in Europa und den USA sind ein Aufruf, innezuhalten und zu überdenken, wie wir heute leben und wie eine bessere Zukunft aussehen könnte.

Viele Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass, sobald die Grundbedürfnisse befriedigt sind, bereichernde soziale Kontakte und Beziehungen uns Gesundheit und Glück bescheren. Dann stellt sich die Frage: Wenn wir die Diktatur des ewig wachsenden Bruttoinlandsprodukts der Vergangenheit angehören lassen, wie können wir dann die sozialen Dienste von der Rente über die Gesundheitsversorgung bis hin zur Bildung aufrechterhalten? Wie können wir den nutzlosen und umweltverschmutzenden Teil des Überkonsums reduzieren, ohne den Wohlstand aufzugeben, und dem Wirtschaftswachstum im globalen Süden Raum geben, um auch dort die Grundbedürfnisse aller zu erfüllen?

 

Die Schätzungen für die Anfangsinvestitionen in diese Umstrukturierung der Wirtschaft lagen in der Größenordnung von 520 Milliarden USD pro Jahr. Jemand sprach sogar von 900 Milliarden USD. Das würde viele Menschen vor Schaden bewahren und uns zu Produktions- und Konsummustern zurückführen, die innerhalb der globalen Grenzen liegen, insbesondere auch im Hinblick auf das notwendige Wachstum zur Befriedigung ungedeckter Grundbedürfnisse im globalen Süden, während gleichzeitig die Kontinuität der Sozialsysteme in Europa gewährleistet würde. Die Forschung weist darauf hin, dass ein Großteil dieser Investitionen für private Investoren uninteressant ist und daher aus öffentlichen Mitteln finanziert werden muss.

Wenn wir den tiefsten menschlichen Bedürfnissen nach Gesundheit und Zugehörigkeit gerecht werden wollen, wenn wir uns auf eine Wirtschaft der Fürsorge zubewegen wollen, dann ist dies ein tragfähiges Grundkonzept für eine lebenswerte Zukunft und nicht ein Begleitprogramm für Randgruppen. Tim Jackson, Direktor des Instituts für das Verständnis von nachhaltigem Wohlstand (CUSP) an der Universität Surrey, ließ keinen Zweifel daran, dass es für den Erfolg des Narrativs unabdingbar ist, dem Argument der Unmöglichkeit zu begegnen, das immer wieder vorgebracht wird, um den Wandel zu sabotieren. Es brauche ein Bewusstsein des Kampfes für die Zukunft, um die Energie aufzubringen, die nötig sei, das Durchhaltevermögen, die Medienmacht und die Fake News zu überwinden, mit denen das obere 1 % arbeitet.

Das Programm ist hier abrufbar; die Aufzeichnungen der sieben Plenarsitzungen und 20 parallelen Fokus-Panels werden in Kürze auf der EP-Website verfügbar sein. Dies wird vielleicht dazu beitragen, dem ohrenbetäubenden Schweigen der meisten Massenmedien zur Konferenz entgegenzuwirken.


Die Vorträge und Diskussionen warfen die Frage auf, wie es weitergehen soll. Vielleicht kann eine Konferenz sie nicht beantworten, aber sie sollte viele runde Tische und Dialogforen mit einem möglichst breiten Teilnehmerkreis anregen, um zu prüfen, was in jeder Stadt, Region und jedem Land getan werden könnte. Lassen wir die verschiedenen Erfahrungen aufeinander treffen, ja sogar aufeinanderprallen. Die Menschen sollten versuchen, ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit den Erkenntnissen der Wissenschaft zu verbinden, um Lösungen zu finden. Oft kann die Weisheit der Menge helfen, Wege aufzuzeigen, wenn die Probleme, um die es geht, uns alle betreffen.

Einige Jugendgruppen waren dieser Meinung und hielten in der Schlusssitzung ihre handgefertigten Plakate mit ihren Forderungen hoch. Dabei wird es nicht bleiben. Die Umstrukturierung der Rohstoffindustrie und der Institutionen, die die gegenwärtigen Systeme stützen, in Angriff zu nehmen, ist eine Mammutaufgabe, die gute Planung, Organisation, Energie und Ausdauer erfordert. Die dynamischen Atmosphäre auf der Konferenz hat sicherlich einiges dazu beigesteuert und wird als Inspiration für die nächsten praktischen Schritte dienen, von lokal bis global, über alle Sektoren und Interessengruppen hinweg.

Text mit Konferenzeindrücken und Bildern von Cornelia E. Nauen, sofern nicht anders angegeben. Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.