Sichtweisen der Leute des Meeres und der Filmemacher
Jacques Chérel, Sekretär des Filmfestival „Pêcheurs du Monde" (Fischer der Welt) stellt das diesjährige Festival vor. Es findet vom 14. bis 20. März 2016 in Lorient, in der Bretagne, in Frankreich, statt.
In dieser 8. Ausgabe stehen die Leute des Meeres im Scheinwerferlicht der starken Bilder, Leute, die so oft in den großen Konferenzen vergessen werden. Die Fischer der Seychelles (Fishermen of Paradise), aus Quebec (Les pêches maritimes du Québec), aus Chile (Salmonopoly), in der Bretagne (Océan électro), Arbeiter der Bronx (BX46), indische Salzarbeiter (My Name is Salt), Frauen, die in Dakar Fisch verkaufen (Guinaw Rails), die weiblichen Taucher in Timor-Leste (Wawata Topu: les sirènes du Timor-Leste), Muschelsammler (Les semeurs de palourdes) ... sprechen über ihr Leben, ihre Ängste, ihr Hoffnungen.
Wahrhaftige „Wachleute" des Zustandes des Ozeans, sind sie von der Umweltverschmutzung betroffen (Oil and Water), den Auswirkungen des Klimawandels (The Sea of Change), dem Drama der Migration (Persisting Dreams, Simshar) oder von Präkariat (La perche du Nil).
Sie leisten der Globalisation Widerstand (Le thon, la brute et le truand) und auch der Privatisation des Meeres, die ihre Lebensgrundlage in Frage stellt (Penghulu).
In dem Film „Mourir pour des images" (Sterben für die Bilder), zeigt René Vautier das Ausmaß an Einsatz, den ein Filmdirektor erbringen muss, vor allem gegenüber der ,,kleinen Leute". Um einen Film zu drehen, er sie existieren läßt, erfordert, „mit ihnen, einer von ihnen zu sein", „mit ihnen zu fühlen", ihr Ansichten zu teilen (Le Chant d'une île).
Dieses einzigartige Festival stellt diese Filme dem Publikum in der Bretagne vor und ist Teil der territorialen Identität. Während der sieben Tage, werden ca. 50 Films in sechs Kommunen des Bezirks Lorient gezeigt. Einige Filme sind neu, einige übersetzt, Erstlinge, zwei sind Premieren, nämlich „Les Océans, la voix des invisibles" by Mathilde Jounot, „Le Biche" by Gilbert Thoraval.
Jedesmal treten mehr Organisationen in Partnerschaft mit dem Festival ein, wie auch diesesmal wieder die Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Die Filmprojektionen wurden ergänzt durch Treffen, Träume, Kreationen der Bürgerkamera, kurz - ein richtiges Abenteuer."
Mundus maris dankt Alain Le Sann, Präsident des Festivals, für die Einladung und Gastfreundschaft, die Mundus maris Vize-Präsident Aliou Sall aus dem Senegal zuteil wurde. Aliou hat die Entwicklungen in der Welt der Kleinfischerei während gesamten professionellen Laufbahn verfolgt und so war er besonders froh, das Festival und die verschiedenen Story lines kennenzulernen. Die Teilnahme hat sich ausgesprochen gelohnt!
Wegen der großen Zahl Filme und Präsentationen war es unmöglich, an allen Veranstaltungen teilzunehmen. Zum Glück konnten die Veranstalter ein paar Ratschläge für eine geeignete Auswahl geben, vor allem ein paar Filme, die man nicht verpassen sollte.
Darunter war die Premiere des Films „Les océans. La voix des invisibles" (Die Ozeane. Die Stimme der Unsichtbaren) von Mathilde Jounot: 52 Min. Suche der Filmemacherin, um den unterschiedlichen Perspektiven oft alarmierender Nachrichten über den Niedergang der Meeresresourcen nachzuforschen und den Anstrengungen nachzuspüren, die Vielfalt der Arten im Meer durch massiven Ausbau neuer Meeresschutzzonen zu schützen. Dabei stieß sie auf widersprüchliche Forschungsergebnisse und zwiespältige Statements großer Nichtregierungsorganisations, die die Biodiversity und die Umwelt auf ihre Fahnen geschrieben haben. Der Film läd zur kritischen Reflektion ihrer wahren Motive ein. Er entstand aus einem schwierigen Gespräch mit einem bretonischen Fischer beim vorjährigen Festival. Im Verlauf des Films wird man den Verdacht nicht los, dass einige Umweltargumente eher vorgeschoben sind, um die Privatisierung großer Meeresgebiete an den höchsten Bieter zu ermöglichen und weniger von tatsächlicher Besorgnis um dringend notwendigen Meeresartenschutz motiviert sind. Und die Fischer selbst, vor allem die Kleinfischer? Der Film zeigt, wie schwierig es sein kann, sich ein tragfähiges Urteil zu den often gegensätzlichen Stellungnahmen zu bilden. Eine Schlussfolgerung kann man aber sicher ziehen: wenn nicht alle Betroffenen, inklusive die Kleinfischer mit ihrem oft detaillierten Lokalwissen, in den Managementprozess einbezogen sind, kann der Umweltschutz unerfreuliche Nebenwirkungen erzeugen und die Lebensgrundlage der lokalen Leute bedrohen. Mathilde Jounots Film unterstreicht die Bedeutung von Managementmechanismen mit Gewaltenteilung, die besonders auch die lokalen Bedingungen berücksichtigt und keine Gruppe ausschließt wenn es um den Umweltschutz geht. Das sollte den Einfluss finanzieller und anderer multinationaler Interessen begrenzen.
Dem Film folgte eine animierte Debatte an deren Ende die Teilnehmer sich einstimmig dafür aussprachen, den Film möglichst weit, auch international zu verbreiten, damit diese wichtige Debatte überall geführt werden kann, wo es Kleinfischer gibt. Einige Hindernisse wurden schon identifiziert, zB wenn Kleinfischer in abgelegenen Gegenden keinen Strom haben.
Ein anderer Film, der besonders viel animierte Diskussionen hervorrief war „Salmonopoly" vom Wilfried Huisman und Arno Schuman (2010). Er dokumentiert die menschlichen und Umweltkosten der intensiven Lachsfarmen im südlichen Chile, die durch den norwegischen „Lachsbaron" John Fredriksen hervorgerufen werden. Seine Firma, Marine Harvest, ist der größte Lachsproduzent der Welt. Im Gegensatz zu Norwegen, ist die chilenische Umwelt- und Arbeitsschutzgesetzgebung deutlich schwächer - mit drastischen Konsequenzen wie von Augenzeugen und Opfern beschrieben.
Der Film wurde im Dupuy de Dôme Gymnasium gezeigt. Daher kamen, zusätzlich zum normalen Publikum, auf Initiative einiger Lehrer auch ihre Schüler zur Vorstellung. Das Publikum von ca. 100 Personen, davon die Hälfte junge Leute, diskutierte anschließend, was zur Verhinderung solcher Misstände in Zukunft getan werden könnte. Viele Fragen betrafen die unnachhaltige Mast von fleischfressenden Tieren (wie Lachse) und die Überkapazitäten in der Fangflotte. All das erfordert Strukturreformen in den jeweiligen Wirtschaftszweigen.
Die Vertreterin der FAO drückte die Sorge ihrer Organisation aus, solche Reformen tatsächlich durchzusetzen. Sie sagte, die FAO könne ihren Mitgliedsstaaten bei der Stärkung ihrer einschlägigen Gesetze helfen. Sie meinte auch, dass die Ernährungsgewohnheiten der Konsumenten ein Aspekt in der Suche nach besseren Praktiken sein könnten. Die Slow Food Bewegung könnte eine der konkreten Antworten sein, wenn sie sich weiter verbreitet.
Pierre Mollo, ein erfahrener Lehrer aus Lorient, unterstrich wie wichtig es sei, Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen im normalen Unterricht stärker zu verankern. Dadurch würden schon bei den jungen Leuten das Bewußtsein dafür geschaffen und die notwendigen Wertvorstellungen zu kritischem und verantwortlichem Verhalten entwickelt..
Das klang ganz nach den Bemühungen von Mundus maris während der Pilotaktivitäten für die FAO und ihr Nansen Projekt, Unterrichtshilfsmittel zum Ökosystemansatz in der Fischerei für Schulen in Westafrika zu entwicklen. Pierre Mollo freute sich daher über ein Exemplar zu seiner eigenen Nutzung.
Die Jury bestimmte die Gewinner in mehreren Kategorien. Diese Films werden erneut zum Anlass des Welttags der Ozeans, am 8. Juni in Lanester gezeigt.
Die besondere Auszeichnung der Jury für junge Filmemacher ging an "Papé" von Nicolas Polixene für seinen poetischen Film über einen alten Fischer, der sich seinen kulturellen Traditionen verpflichtet fühlt.
Mehr Infos zum Festival und die Gewinner gibt es auf der Webseite des Festivals.