Workshop zum Thema Blue Parks, 7. März 2024
Andrea Strachinescu-Olteanu von der GD MARE der Europäischen Kommission eröffnete den Workshop und betonte, dass die derzeitige Kommission sehr an Meeresschutzgebieten (MPAs) als Mittel zur Regeneration des geschädigten Ozeans interessiert sei. Solange Horizon Europe, das große Forschungsrahmenprogramm, laufe, werde es Mittel für dieses Ziel geben. Es sei wichtig, Ergebnisse vorzuweisen, um die Chancen zu erhöhen, dass diese Unterstützung von zukünftigen Entscheidungsträgern und Programmen aufrechterhalten werde.
Gregory Fuchs von der Plattform MIP Ocean erinnerte an einige der Schlussfolgerungen eines vorbereitenden Workshops im Dezember 2023. Obwohl 12 % der europäischen Gewässer als Schutzgebiete deklariert worden waren, erwiesen sich weniger als ein Prozent als tatsächlich geschützt, die übrigen 11 % waren lediglich auf dem Papier existierende Parks. Es sei wichtig, sich gemeinsam für eine Änderung dieser Situation einzusetzen. Nur so könne sichergestellt werden, dass die gesellschaftlichen Vorteile wirklich funktionierender Meeresparks sowohl den Entscheidungsträgern als auch den Bürgern zugute kämen, die an den ermittelten Stellschrauben arbeiten.
Alberto Zocchi von CINEA, der Exekutivagentur für viele Projekte, die zur Mission "Restore our Ocean and Rivers" (Wiederherstellung unserer Meere und Flüsse) gestartet im Jahr 2021 beitragen, gab einen Überblick. Er half den Teilnehmern, die sich auf die Umsetzung der Aktion konzentrierten, einige wichtige politische Ziele und die wichtigsten Umsetzungsinstrumente zu finden. Gemäß der EU-Biodiversitätsstrategie zur Unterstützung der UN-Agenda 2030 mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), den Aichi-Zielen im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) und dem kürzlich verabschiedeten Globalen Biodiversitätsrahmen sollen 30 % der europäischen Land- und Meeresflächen bis 2030 geschützt werden. Von diesen wiederum sollten 10 % streng geschützt werden.
Es wurden fünf Missionen ausgehandelt, um wichtige gesellschaftliche Ziele zu erreichen und alle Arten von Umsetzungsmechanismen von der europäischen bis zur lokalen Ebene zu nutzen. Die Mission "Wiederherstellung der europäischen Meere und Gewässer bis 2030" war eine der fünf. In vier großen Unterregionen wurden Pilotprojekte durchgeführt, um mögliche Lösungen für die Wiederherstellung stark geschädigter Ökosysteme auf sozial und wirtschaftlich nachhaltige Weise zu demonstrieren. Zu den wichtigsten Finanzierungsinstrumenten gehörten das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon Europe, LIFE, das EU-Finanzierungsinstrument für das Umwelt- und Klimaaktionsprogramm, und EMFAF, der Europäische Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds zur Unterstützung der Gemeinsamen Fischereipolitik. Ein Bericht zur Bewertung von rund 800 Projekten, die im Zeitraum 2013 bis 2023 finanziert wurden, ermöglichte die Ermittlung von Lücken und sollte dazu beitragen, Ressourcen und Aktivitäten entsprechend auszurichten.
Vor diesem Hintergrund wurde der restliche Tag dazu genutzt, von den Projektleitern zu erfahren, wie sie den Regenerationsauftrag angehen und welche Erfahrungen sie bisher gesammelt haben. Ein immer wiederkehrendes Anliegen war, dass der übermäßige Druck durch menschliche Nutzung, verringert werden müsse, damit die Wiederherstellung eine Chance hat. Diese aus der Nutzung resultierenden Belastungen hatten zu der Umweltzerstörung geführt, die soziale und wirtschaftliche Probleme nach sich zog. Wie ein Redner bemerkte: Wenn das Haus brennt, kann man es nicht wieder aufbauen, sondern man muss erst das Feuer löschen. Von den vielen interessanten Berichten können wir nur einige erwähnen, wobei die vorläufigen Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen sind, da die meisten Projekte noch nicht einmal die Hälfte ihres Programms durchlaufen hatten.
Jannica Haldin, Projektkoordinatorin bei HELCOM, der Kommission für den Schutz der baltischen Meeresumwelt mit Sitz in Helsinki, Finnland, hatte ihre siebenjährige Amtszeit gerade hinter sich. Sie hatte bereits die Nase voll von den vielen unterschiedlichen nationalen Vorschriften, lokalen Interessen und dem ständig wachsenden Druck auf die Umwelt. In erster Linie handelte es sich dabei um unkontrollierte landwirtschaftliche Abwässer, die zu immer mehr toten Zonen führten, um übermäßigen Fischfang, der z. B. zum Zusammenbruch der Dorsch- und Heringsbestände in der westlichen Ostsee führte, um Vergiftungen durch rostende Munitionsbehälter aus dem Zweiten Weltkrieg, Geisternetze auf Schiffswracks und vieles mehr. Der Tourismus hat in den letzten zehn Jahren um 40 % zugenommen, könnte aber noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn die Umwelt in einem besseren Zustand wäre. In ihrer ansteckend freundlichen und energischen Art betonte sie, dass es am erfolgversprechendsten sei, mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die am meisten von einer gesunden Ostsee profitieren. Sie seien bereit, Rechtsvorschriften zu unterstützen, die Maßnahmen zur Schadensbegrenzung durchsetzen. Ihre Kernbotschaft lautete: Es ist am besten, viele einfache Dinge zu tun, damit die Vorteile sichtbar werden und so mehr Menschen und Organisationen dazu gebracht werden, sich zu engagieren.
Lorenzo Bramanti vom LECOB-CNRS in Frankreich plädierte für mehr Wissenschaft bei der Entscheidungsfindung, um die Kostenwirksamkeit zu verbessern. Er veranschaulichte dies anhand eines Beispiels über die immer beliebter werdenden künstlichen Riffe zur Wiederherstellung von Lebensräumen, die durch die starke Grundschleppnetzfischerei zerstört wurden, aber auch der Diversifizierung von Lebensräumen für Meeresarten. Sie seien am wirksamsten, wenn sie in Gebieten mit Strömungen, den Autobahnen des Larven- und Planktontransports, angelegt würden. Die sorgfältige Standortwahl für Schutzgebiete sollte sich auf funktionale Ökosystemeinheiten konzentrieren, nicht auf isolierte Arten, auch wenn solche ikonischen Arten die Kommunikation mit der Öffentlichkeit erleichtern könnten. Er warnte davor, dass eine zu starke Vereinfachung aus Gründen der Zweckmäßigkeit in der Kommunikation mit Bürgern oder Politikern nach hinten losgehen könnte. Es sei wichtig, die Komplexität und die Zeit für die Wiederherstellung von Ökosystemen zu akzeptieren und anzunehmen, da dies die wichtigsten Merkmale von Ökosystemen seien, um ihre Robustheit wiederzuerlangen. Kurz gesagt, Meeresschutz und Regeneration sollten auf wissenschaftlich fundierten Protokollen beruhen, wobei der Schwerpunkt auf der Sicherung des Nutzens für die Bürger liegen sollte, um einen gesellschaftlichen Konsens und Unterstützung zu gewährleisten.
Vedran Nikolić vom Referat Naturschutz in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission ist ein Veteran der Verhandlungen rund um das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) auf verschiedenen Ebenen, in Europa und weltweit. Er wies auf die große Umsetzungslücke zwischen den Ambitionen in den Verträgen und der Realität hin. Eine mangelhafte Umsetzung hat dazu geführt, dass Arten erst sehr selten werden und dann aussterben. Er räumte ein, dass es Zeit brauche, um die Bürger einzubeziehen, dass es aber unbedingt notwendig sei, dieses Engagement deutlich zu beschleunigen. In Europa wurden etwa 6000 Meeresschutzgebiete ausgewiesen, die Hälfte davon Natura-2000-Gebiete, aber ihr aktueller Zustand und die Wirksamkeit der Verwaltung wurden nicht systematisch bewertet. Da es keine Ergebnisindikatoren gibt, habe niemand einen präzisen Gesamtüberblick.
Er betonte außerdem, dass es von entscheidender Bedeutung sei, den vom Menschen ausgehenden Nutzungsdruck zu verringern, und zwar nicht nur in den Schutzgebieten, sondern auch außerhalb der 30 %, die im Rahmen internationaler und regionaler Abkommen geschützt werden sollen. Diese nicht formell geschützten Gebiete müssten nachhaltig bewirtschaftet werden und dürften nicht ausgebeutet werden, wenn die Gesamtergebnisse erreicht werden sollen. Er war der festen Überzeugung, dass das neue europäische Gesetz zur Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen die Merkmale eines Wendepunkts aufweist, auch wenn es in den letzten Schritten durch das Europäische Parlament und in den Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten etwas verwässert wurde. Seine abschließende Botschaft war eine Ermutigung, mehr zu tun und die Vorteile zu erzielen: Reduzieren Sie den Druck auf die Natur und Sie werden erste Anzeichen einer Erholung sehen.
In den Diskussionen während der Pausen machte Mundus maris auf ein geplantes Rollenspiel aufmerksam, in dem es darum geht, wie ein potenziell umstrittenes Meeresschutzgebiet in einem fiktiven Land funktionieren kann. Die Entwicklung eines solchen Rollenspiels ist die Hauptaufgabe der aktuellen Praktikantin bei Mundus maris, Monica Facci, einer Masterstudentin in Umwelt- und Geisteswissenschaften an der Universität Cà Foscari in Venedig. Ausgehend von den Erfahrungen im Publikum und durch Interviews mit verschiedenen Interessenvertretern wird sie das Material für die Charaktere erarbeiten, die junge Erwachsene in Schulen oder Universitäten verkörpern können, um Wissen über den Schutz der biologischen Vielfalt und verschiedene Positionen gegenüber MPAs zu sammeln. Ebenso wichtig ist die emotionale Auseinandersetzung in einer moderierten, respektvollen Debatte, um einen gesellschaftlichen Konsens zu entwickeln. Nach der Erprobung wird das Material all jenen zur Verfügung stehen, die das Rollenspiel z.B. für den Weltozeantag am 8. Juni oder zu einem anderen Anlass aufführen möchten. Kontakt info[a]mundusmaris.org.
Mehrere Redner machten deutlich, dass sich überschneidende sektorale Rechtsvorschriften ein großes Hindernis für einheitlichere Vorschriften darstellen, die ein besseres Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen für Mensch und Natur herstellen könnten.
Aus allen Regionen Europas brachten die Redner ähnliche Botschaften und Erfahrungen mit: Engagieren Sie sich mit Gemeinden, Fischern, normalen Bürgern, mit all denen, die von der Gesundheit der Meere betroffen sind. Wissen ist notwendig, aber nicht ausreichend. Wir brauchen ein Engagement der Herzen und Köpfe. Beginnen Sie damit, den Beeinträchtigungen durch intensive Nutzung Einhalt zu gebieten oder sie zu verringern, finden Sie Lösungen zur Wiederherstellung lokaler Lebensräume, zeigen Sie die Vorteile einer gesunden Umwelt auf.
Emanuel Goncalves, leitender Wissenschaftler und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Oceano Azul, wies eindringlich auf die Notwendigkeit hin, Artikel 11 der Gemeinsamen Fischereipolitik zu ändern. Die Praxis habe gezeigt, dass es äußerst schwierig oder sogar unmöglich sei, umweltrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn ein anderer EU-Mitgliedstaat in demselben Gebiet Fischereiinteressen habe. Er bekräftigte, dass wir uns den existenziellen Krisen des Verlusts der biologischen Vielfalt und des Klimawandels stellen müssen. Eine weitere Verzögerung sei keine Option, und er forderte einen beschleunigten Wandel, da wir einfach nicht weitere 40 Jahre Zeit hätten, um noch ein paar Prozent des Ozeans zu schützen, wie wir es in der Vergangenheit getan hätten.
Am Ende eines anregenden Tages kündigte Elisabetta Balzi, Leiterin des Referats Ozeane und Gewässer der Generaldirektion Forschung und Innovation der Europäischen Kommission, an, dass es bald mehr Gelegenheiten geben werde, das während des Austausches Gelernte in die Praxis umzusetzen: Die nächste Aufforderung zum Einreichen von Vorschlägen werde sich auf Meeresschutzgebiete (Blue Parks) konzentrieren und darauf, wie man sie zum Funktionieren bringt.
Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.