Mit einer großen Anzahl von verschiedenen, und manchmal widersprüchlichen Zielen und Forderungen ist der Ozean der Schauplatz vieler nationaler und internationaler Verträge und Vereinbarungen. Er regelt unser Klima, wir hängen von ihm für jeden zweiten Atemzug ab, er ist eine Quelle von Nahrung und Energie. Der größte Teil des internationalen Handels findet über den Ozean statt. Er sorgt für Lebensunterhalt von geschätzten drei Milliarden Menschen und Erholung für vielleicht genauso viele.
Kein Wunder, dass die Forderung nach einer umfassenderen Ozean-Governance ständig zunimmt, auch durch die Aufname des Ozeansschutzes als Ziel 14 der Agenda 2030 von insgesamt 17 integrierten Zielen der nachhaltigen Entwicklung.
COST, das europäische Netzwerk der Kooperation in Wissenschaft und Technologie, ermöglicht deshalb Forscherteams aus mehreren europäischen und assoziierten Ländern, rund um diese Herausforderung zusammenzuarbeiten. Das OceanGov-Forschungskonsortium unter Vorsitz von Prof. Anna-Katharina Hornidge vom Leibniz-Zentrum für Tropische Meeresforschung (ZMT) hat vom 6. bis 8. März 2017 eine Konferenz in Bremen als Plattform für den Austausch von Forschungsergebnissen und gemeinsames Lernen veranstaltet. Im Folgenden bieten wir nur einige Impressionen von einigen der Vorträge und Diskussionen aus dieser dreitägigen Konferenz.
In der Session zur Governance des Meeresbodens schlug Virginie Tilot, die in rund 50 Ländern und für mehrere internationale Organisationen gearbeitet hat, einen Rahmen für die potenzielle Überwachung und Analyse vor, der sich an der Metaanalyse einer Reihe von Tiefseeuntersuchungen und Erfahrungen aus der Forschung und Verwertung orientierte.
Diese betrafen ursprünglich vor allem Ressourcen in flacheren Gewässern. Sie könnten aber auch als eine solide wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidungsfindung für tiefere Meeresgebiete herangezogen werden.
Die Frage der Nachhaltigkeit muss im Lichte der aktuellen Schätzungen betrachtet werden, dass es vielleicht 10.000 Jahre dauert, um einen cm zum Durchmesser der Manganknollen hinzuzufügen, und dass solche Ablagerungen eng mit den empfindlichen Lebewesen der Tiefsee verbunden sind.
Marta Conde unterstrich die Herausforderungen in Bezug auf die Festlegung eines allgemein vereinbarten Rahmens für den Umgang mit dem Meeresboden und die Vorteile und Fallstricke der Erweiterung der landgestützten Bergbauvorschriften auf den Meeresboden in seichten Meeren.
Die Definitionen des Vorsorgeprinzips unterscheiden sich weit zwischen den Ländern, ebenso wie die Governance-Ansätze.
Sie zitierte die Bemühungen in Neuseeland, die Stakeholder zu konsultieren und ein gewisses Maß an Transparenz in der Entscheidungsfindung in Bezug auf den Meeresboden zu gewährleisten und ihre Erkundung und Ausbeutung zu ermöglichen. Sie konfrontierte dies mit Prozessen in Namibia, wo die Regierung im Jahr 2013 ein 18 Monate-Moratorium für Bergbau des Meeresbodens aus anderen Gründen als dem Vorsorgeprinzip verhängt hat.
Das Moratorium wurde offensichtlich hinter verschlossenen Türen beschlossen und ist heute noch in Kraft, da negative Effekte u.a. für die wichtige Fischerei befürchtet werden.
Die Beratungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) würden auch von mehr wissenschaftlicher Beratung, öffentlicher Aufsicht und Transparenz profitieren.
Der Begriff "Gemeinsames Erbe der Menschheit" war ein attraktives Konzept, das bislang jedoch schwer zu operationalisieren war.
Die Diskussion unterstrich, dass mit oder ohne starke Regulierung der Bergbau im Meer bereits stattfindet, wenn auch nicht so sehr in sehr tiefen Gewässern, vor allem wegen der Kosten und technologischen Risiken. Es gab bisher nur sehr begrenzte öffentliche Aufmerksamkeit, außer vielleicht in einigen pazifischen Ländern, wo die Abhängigkeit vom Ozean zweifellos die Wahrnehmung der Politiker und der breiteren Bevölkerung beeinflusst. Das machte es schwer, genügend Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Forschung und Interpretation zu bekommen und das bereits vorhandene Wissen in diskursiver Politik und Entscheidungsfindung zu nutzen.
In der Session über die Theorie der Ozean Governance betonte Aletta Mondré die Wechselwirkung und Überlappung verschiedener Quellen von Authorität und Regeln.
Trotz dieser Vielfalt, entdeckte sie andererseits auch verschiedene Lücken in solchen Aspekten, die in der Vergangenheit im wirtschaftlichen oder Entwicklungsrahmen noch keine wichtige Rolle gespielt haben. Sie warnte außerdem, dass trotz einer großen Zahl von Abkommen und Regeln, deren tatsächliche Durchsetzung nicht vorausgesetzt werden kann und weiterhin eine bedeutende Herausforderung darstellt.
Maria Hadjimichael von der Universität Zypern diskutierte das Risiko von zunehmenden neoliberalen Trends in der Art wie verschiedene Länder Governance verstehen und praktizieren. Unter den Einfluß des Diskurses zum Blauen Wachstum beobachtete sie den Versuch der zypriotischen Regierung, die nationalen Gewässer wie Immobilien und Landeigentum zu behandeln und auf dem Land geltendes Recht ohne Berücksichtigung der besonderen Bedingungen auf den Ozean auszuweiten.
Da der Meeresraum aber dreidimensional und nationale und internationale Gebiete eng mit einander verbunden und im Austausch sind kann eine solche Regelung viele unerwartete Auswirkungen haben und auch die Anreize für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft abschwächen. Sie fragte sich daher, ob eine solche Strategie nicht besser auf negatives blaues Wachstum abzielen sollte.
Raoul Beunen von der niederländischen Open University warnte, dass die übermäßige Betonung der Schwierigkeiten beim Naturschutz auf nationaler Ebene sich scheinbar in eine selbst-erfüllende Vorhersage verwandelt. Der nächste Schritt könnte dann der Angriff auf europäische Standards sein.
Milena Arias Screiber hob den Ansatz der Freiwilligen Leitlinien für eine nachhaltige Kleinfischerei im Rahmen der Ernährungssicherheit und der Beseitigung der Armut als besonders wegweisend hervor, weil er explizit auf den Menschenrechten basiert. Das ist ein Durchbruch in der Konzeption von Governance und zwar nicht von ungefähr nach einem ausgedehnten Konsultationsprozess an der Basis, der von der FAO moderiert wurde. Sie konnte allerdings noch keine substantielle Umsetzung dieses Ansatzes zB in partizipativen Prozessen under der reformierten Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU feststellen.
Es ist nach wie vor eine große Herausforderung, wie echte partizipative Entscheidungsfindung umgesetzt werden kann, wie die Freiwilligen Leitlinien in der Praxis regionalisierter Governance unter der GFP angewandt werden kann indem die verschiedenen Vertreter als legitim anerkannt werden und wie Fischereirechte fair verteilt werden können.
Cristina Pita von der Universität Aveiro in Portugal machte die Zuhörer darauf aufmerksam, dass 83 Prozent der europäischen Flotte, gemessen als Anzahl der Boote, in der Kategorie der Kleinfischer sind. Diese Boote machten aber nur 10 Prozent der Bruttoregistertonnen (BRT) und 35 Prozent der Motorenleistung aus.
Diese Kategorie besteht aus Booten unter 12 Metern Länge über alles, die keine Schleppnetze benutzen. Niemand soll denken, dass dies nur ein Phänomen der südeuropäischen Länder ist. Die Kleinfischerei ist in Wirklichkeit in vieler HInsicht das Hauptcharakteristikum der gesamten EU Fischerei.
Der größte Teil der Arbeitsplätze ist in diesem Fischereisegment geschaffen und zwar nicht nur in der Fangflotte selbst, sondern auch in vielen anderen Arbeitsplätzen, inkl. für Frauen, in der Vorbereitung und der Verarbeitung und Vermarktung. Über die unmittelbare Frage der Arbeitsplätze hinaus, ist die Klein- und Küstenfischerei auch eng mit kultureller Identität und besonderen Lebensentwürfen verknüpft.
José Pascual-Fernandez hob hervor, dass schwieriger Marktzugang wahrscheinlich das wichtigste Hindernis zur Prosperität der Kleinfischerei ist und im Gegenteil ihren Niedergang antreibt.
Die oft bessere Qualität ihrer Produkte, die schonend sowohl für die Fische als auch die Umwelt gefangen werden, wird kaum anerkannt und schlägt sich nicht im Preis nieder. Das ist besonders der Fall, wenn die Ware von Kleinfischern auf dem Markt mit Aquakulturprodukten konkurriert, denen sie in Frische, Textur und allgemeiner Qualität überlegen ist.
Ein Versuch, diese Marktverzerrung zu überwinden, war ein Etikettierungsschema, das auf Teneriffa ausprobiert wurde. Dort versuchten die Kleinfischer, die Aufmerksamkeit auf die Frische ihres legalen lokalen Produktes zu lenken. Sie wollen den Käufern die Chance geben, das qualitativ hochwertige Lokalprodukt von der Mischung aus illegal gefangenen, kultivierten und importierten Fischen zu unterscheiden, die ohne Unterscheidung und wenig Kontrolle in der Special Economic Zone Canarias verkauft wurden.
Eine weitere Herausforderung für die Kleinfischerei ist es, eine konstruktive Beziehung zum Tourismus zu finden - Kooperation statt Wettbewerb um Raum, Arbeitskräfte und andere Produktionsfaktoren.
Lokale professionelle Fischerorganisationen waren immer wichtig, um dem Kampf für menschenwürdigen Lebensunterhalt von Kleinfischern Glaubwürdigkeit und Gewicht zu verleihen.
Sind diese Bedenken in der Blue Growth Initiative ausreichend berücksichtigt? Das ist nicht klar, zumindestens nicht für die Teilnehmer der "Ozean Philosophen", eine Gruppe unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Meeresforschung (DGM).
Eine besonders interessante Session der Konferenz lud die registrierten Teilnehmer und die interessierte Öffentlichkeit aus dem Haus der Wissenschaft heraus und ins Übersee-Museum für eine öffentliche Podiumsdiskussion. Sie wurde von Dr. Lutz Möller, dem stellvertretenden Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission, exzellent moderiert.
Die Abgeordnete Linnéa Engstrøm, stellvertretende Vorsitzende des Fischereiausschusses des Europäischen Parlaments, konnte nicht persönlich anwesend sein, trug aber mit einem energetischen Plädoyer für die Umsetzung der Europäischen Gemeinsamen Fischereipolitik und für starke Verpflichtungen aller Regierungen zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 14 auf der UNO-Ozeanenkonferenz zur Podiumsdiskussion bei. Die Konferenz wird von Schweden und Fidschi mitgetragen und ist für den 5. bis 9. Juni 2017 in New York geplant.
Sie äußerte ernste Besorgnis über Klimawandel-Effekte wie die Versauerung des Ozeans und warnte, dass die Temperaturen um 20 Grad höher als im Winter normal in der Arktis waren. Dies hat verheerende Folgen für die polaren Ökosysteme. Es besteht das verstärkte Risiko gefährlicher Rückkopplungsschleifen der globalen Erwärmung durch weniger Eisbedeckung.
Sie unterstrich die wichtige Rolle der Kleinfischerei und der Frauen in der Fischerei für die Ernährungssicherheit und die allgemeine Nachhaltigkeit.
Sie hoffte, dass die globale Bedrohung durch Meeresverschmutzung (zB Plastik) effektiver durch mehr Recycling, Vermeidung von Abfall und stärkere Anreize für eine Kreislaufwirtschaft angesprochen werden würde, wie im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, wo sie auch Mitglied ist.
Ihre Vision des Blue Growth Mantra war, es zu einer Blue Sustainable Economy zu machen.
Die anderen Diskussionsteilnehmer waren Dr. Chua Thia-Eng, Vorsitzender der Partnerschaften im Umweltmanagement für die Meere von Ostasien, PEMSEA, Herr Christoph Spehr von Fair Oceans und Herr Kristofer Du Rietz, Internationaler Berater der Generaldirektion für maritime Angelegenheiten und Fischerei der Europäischen Kommission (von links nach rechts im Bild, Dr. Lutz Möller, der Moderator sitzt ganz links).
Klicken Sie hier für weitere Informationen über das COST-Projekt.
Fotos und Zusammenfassung von Cornelia E Nauen.