Melissa Marschke und Peter Vandergeest präsentierten das Webinar der V2V-Forschungsplattform, an der Mundus maris beteiligt ist, im September 2022. Beide haben in den letzten zehn Jahren gemeinsam zum Thema ,,Inakzeptable Arbeitsbedingungen in der globalen Fischerei" gearbeitet. Das Ergebnis: Gesetzlosigkeit, Kriminalität oder laxe Rahmenbedingungen und politische Ökonomie? Sie berichteten über die Ergebnisse ihrer Forschungen und der Kampagnen von Interessengruppen, die Fakten über die zum Teil entsetzlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen vor allem auf Schiffen zu Tage fördern, die außerhalb des Geltungsbereichs gesetzlicher Regelungen auf hoher See unterwegs sind. Der erste Skandal wurde Mitte der 2010er Jahre durch die Misshandlung von Arbeitsmigranten aus Burma und Kambodscha in der thailändischen Fischerei bekannt.
Thailand leitete daraufhin eine Reform des Systems ein. Aber warum sollten die Menschen weiterhin in der Fischerbranche tätig werden? Arbeitsmissbrauch an Bord ist kein Einzelfall und wurde auch in anderen Ländern beobachtet. Die großen asiatischen Fernfischereiflotten aus China, Taiwan, Japan und Korea haben sich in den letzten Jahren besonders stark entwickelt und beschäftigen überwiegend Wanderarbeiter, nicht nur aus anderen asiatischen Ländern, sondern auch z. B. aus Westafrika. Sklavenarbeit und andere Arbeitsmissbräuche sind auch in Neuseeland und in einigen europäischen Ländern dokumentiert worden.
Die Untersuchung ergab eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die die Bedingungen auf den Hochseeflotten der Welt kennzeichnen und die durch die sechs häufigsten Arten von Arbeitsmissbrauch veranschaulicht werden, die angegangen werden müssen:
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Es handelt sich um den gefährlichsten Beruf der Welt, da die Fischer oft mehr als ein Jahr an Bord bleiben, die Schiffe ihre Fänge umladen und auf See von Kühlschiffen versorgt werden, ohne einen Hafen anzulaufen;
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Wenn fangfähige Fische oder Weichtiere gefunden werden, sind die langen Arbeitszeiten sehr anstrengend, gleichzeitig gibt es auf vielen Schiffen nur wenig Platz für die Besatzung zum Schlafen, Essen und für eine Ruhephase;
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Die Arbeit ist oft von erheblicher Gewalt geprägt, auch durch sprachliche Inkompatibilität, da der Kapitän und der erste Offizier oft aus dem Flaggenstaat des jeweiligen Eigentümers stammen, während sich die Besatzung aus Wanderarbeitern aus anderen Ländern rekrutiert, die andere Sprachen sprechen;
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Die lange Isolation an Bord führt zu Stress und Erschöpfung;
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Die Löhne sind in der Regel sehr niedrig - in der spanischen Flotte etwas höher als auf chinesischen oder taiwanesischen Schiffen -, aber viele mittellose Wanderarbeitnehmer nehmen diesen Einstieg in die Branche in Kauf, während sie darauf abzielen, in einem zweiten Schritt eine bessere Bezahlung in der Frachtflotte zu erhalten, wenn sie es dort schaffen;
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Die Lebensbedingungen an Bord sind in der Regel schlecht und beengt, oft zusätzlich in Verbindung mit unzureichender Wasserversorgung zum Trinken und Waschen.
In vielen Ländern sind Reformen im Gange, aber sie sind derzeit bei weitem nicht zufriedenstellend. Die Forschungen von Peter Vandergeest legen nahe, dass es sinnvoll ist, über die schwarzen Schafe und die Antworten durch den ausschließlichen Fokus der Polizeiarbeit und des Strafrechts hinauszublicken. Peter Vandergeest weist darauf hin, dass diese Bedingungen das Ergebnis kapitalistischer, industrieller Fischerei und schwacher oder nicht durchgesetzter Arbeitsgesetze und anderer geltender Vorschriften sind. Die Untersuchung versuchte zu klären, warum solche Praktiken vorkommen können und in welchem Umfang. Zunächst einmal gilt das Primärrecht des Flaggenstaats des Schiffes. Im Hafen hat der jeweilige Hafenstaat jedoch bestimmte Rechte, z. B. für Inspektionen, doch dabei wird eine internationale Grenze überschritten, da die Rechtsvorschriften des Flaggenstaats weiterhin gelten. Peter erläuterte einige der komplizierten rechtlichen Bedingungen, die den Zugang von Hilfeleistungen für die Besatzung oder die Suche nach Hilfe durch die Besatzung erleichtern oder erschweren können. Er stellte fest, dass die zentrale Rolle der Arbeitsvermittlungsagenturen für viele der Probleme der Arbeitnehmer und die politische Macht einiger weniger dominierender Unternehmen verantwortlich ist. Außerdem hat die rechtliche Unterscheidung zwischen Seeleuten, für die Schutzvorschriften gelten, und Arbeitnehmern auf Fischereifahrzeugen, die nicht als Seeleute gelten, die Bedingungen für Fischer verschlechtert. Er erläuterte auch, was die Bedingungen verbessern könnte und welche Maßnahmen und Organisationen am wirksamsten sind, um die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Leider wurden die schädlichen Fischereisubventionen nicht erwähnt, obwohl sie die Überfischung durch überdimensionierte Hochseeflotten aufrechterhalten und durch ihre kostensenkenden Eingriffe in den Wettbewerb auf dem Weltmarkt wesentlich zum Missbrauch von Arbeitskräften beitragen. Sehen Sie hier den vollständigen Vortrag und die Fragerunde.
Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.